Haben Sie sich schon mal von einer Olympiasiegerin massieren lassen? So richtig schön durchwalken und mit Lavendel- und Rosmarin-Essenzen einölen? Nein? Dann sollten Sie mal auf den Holmenkollen fahren, Oslos Hausberg. Den mit der berühmten Schanze, auf der immer die Weltcup-Springen ausgetragen werden. Denn dort, im Holmenkollen Park Hotel, arbeitet Jutta Behrendt aus Berlin: groß, blond, zupackend. Bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988 gewann sie für die DDR eine Goldmedaille im Einer-Rudern. Nun sorgt sie hoch über Oslo für das Wohl der Gäste, knetet, klopft, streichelt und ölt. Wenn sie zupackt, ist aller Alltagsfrust vergessen. Dann lockert sich der verspannte Rücken, lacht der ganze Körper.Überhaupt ist alles irgendwie besonders auf dem Holmenkollen. Morgens hängen wattige Wolken wie große Federbetten zwischen den Tannen, seltsam entrückt und märchenhaft. Wenn dann die Sonne durchbricht und die Dunstschwaden sich lichten, sieht es aus, als hätten norwegische Trolle mal eben ihre Gardinen gelupft. Wer sich im holzgeschnitzten Holmenkollen Park Hotel niederlässt, dem muss klar sein, dass irgendetwas mit ihm passieren wird. Denn hier schwebt man nicht nur über Oslo, sondern auch über den Dingen.
Mitten in der Natur und doch ganz nah bei der Stadt -Jutta Behrendt liebt es, auf diesem Berg zu wohnen und zu arbeiten. Mit der Bahn ist sie in einer halben Stunde am Nationaltheater, wo man grade Vinterbergs Erfolgsfilm "Das Fest" als Schauspiel gibt. Oder in der Prachtstraße "Karl Johan", wo die feinen Läden locken. Oder am Königlichen Schloss, wo Osloer und Touristen gern im Park umherspazieren und hoffen, einen Blick auf das Kronprinzenpaar Haakon und Mette-Marit zu erhaschen. Auf dem Holmenkollen zu wohnen heißt, alles zu bekommen: Natur und Kultur, Land und Stadt, Entspannung und Anregung. Gleich hinter dem Hotel ragt die Holmenkollen-Schanze 60 Meter hoch in den Himmel. Wird gerade kein Skispringen ausgetragen, müssen Neugierige sich mit dem Skisimulator begnügen. Heute sind es ein paar Koreaner, die kichernd in die silberne Kapsel klettern, um mit 90 Kilometer pro Stunde die Schanze hinabzurasen. Virtuell natürlich nur. "It's the real feeling", verspricht ein Schild an der Kasse. Sie steigen schnell wieder in ihren Bus - und wissen nicht, was ihnen entgeht. Wunderbare Spazierwege gibt es hier oben. Und zünftige Hütten wie die Frogner Alm, auf der zwischen Elchgeweihen und Bärenfellen ein dunkelhäutiger Kellner im Smoking norwegische Knödel serviert. Seltsam? Nein, Holmenkollen. Aber auch unten in Oslo erscheint auf den ersten Blick so manches rätselhaft. Lassen Sie sich nicht abschrecken. Essen Sie ruhig mal "Blötkake"- es ist nicht das, wonach es klingt, sondern ein leckerer, sahniger Kuchen. Fahren Sie nach "Grönland" - es liegt mitten in Oslo und ist ein lebendiges Viertel mit vielen Zugewanderten, netten Kneipen und Läden, in denen Rentierfleisch verkauft wird. Und wundern Sie sich nicht, wenn Sie zum "Vorspiel" eingeladen werden. Das hat nichts mit Sex zu tun: Weil Alkohol im Restaurant sehr teuer ist, gießt man sich schon zu Hause ordentlich einen hinter die Binde, um erst danach auszugehen.
So dürften das auch zwei der berühmtesten Norweger gemacht haben: Henrik Ibsen und Edvard Munch. Beide tranken gern und viel. Auf einem riesigen Wandgemälde im Grand Cafe sind sie im Kreise der Osloer Künstler-Boheme zu sehen. Ibsen soll, so erzählt man sich, jeden Tag um Punkt zwölf Uhr von seiner Wohnung nahe dem Schlosspark hierher in die Karl-Johan-Straße spaziert sein, mit schwarzem Zylinder und Gehrock. Edvard Munch dagegen fühlte sich nie so richtig zu Hause in Oslo, reiste viel durch die Welt, um doch wieder hier zu landen. "Munch ist eigentlich zu groß für ein so kleines Land wie Norwegen", sagt Frank Höifödt. Er ist Kurator am Munch Museum, das 18 000 Grafiken, 4500 Zeichnungen und 1000 Gemälde des Malers aufbewahrt, darunter überraschend heitere wie die junge Frau im Mohnfeld. Warum aus gerechnet "Der Schrei", ein kleines, nicht gerade brillant gemaltes Bild, zu einem der bekanntesten Gemälde der Welt wurde, kann Höifödt sich schwer erklären. "Vielleicht, weil es sich gut als Illustration für Berichte über Depression eignet und für alle Arten von Terror. Wir wissen jedenfalls, dass das Bild weltweit tausendmal am Tag gedruckt wird."
Zum Glück sind die Osloer, entgegen ihrem Ruf, weder besonders melancholisch noch besonders langweilig. Eher stolz. Meistens aber einfach freundlich und gut gelaunt. Ein bisschen sauer reagieren sie allerdings, wenn mal wieder irgend so ein Ignorant ihr Rathaus als hässliche Backsteinkiste beschimpft. Auf diesen Bau, in dem Munch ein kleines Hochzeitszimmer ausgestattet hat, lassen sie nichts kommen. Sie feiern hier Familienfeste und geben Empfänge. Und jedes Jahr am 10. Dezember wird in der großen Halle der Friedensnobelpreis verliehen. Nicht weit vom Rathaus liegt der Studentenpark mit seinem kleinen See. Sobald es draußen kalt genug ist, verwandelt er sich in eine Eislaufbahn, auf der man sich zu altmodischer Musik aus scheppernden Lautsprechern vergnügt. Überhaupt verstehen es die Osloer ganz einzigartig, sich den langen, harten Winter nett zu machen. Sie schlecken Speiseeis auch bei Minusgraden. Sie laufen auf Skiern durch ihre Parks und nennen das "Langrenn". Sie schnallen sich Spikes unter die Stiefel oder schieben Schlitten zum Festhalten vor sich her. Und sie tragen Slipper und Stöckelschuhe in kleinen Beuteln mit sich herum, damit sie sich im Trockenen jederzeit schick machen können. Wer auf der zentralen Prachtstraße Karl Johan flaniert, hat Ersatzschuhe allerdings nicht nötig. Eine Fußbodenheizung unter dem Pflaster lässt den Schnee schmelzen und Eis erst gar nicht entstehen. Ein Luxus, den die Norweger sich aufgrund ihrer schier unerschöpflichen Ölvorräte locker leisten können. Am allerschönsten ist es im Winter in den Grünanlagen. Im Frogner Park etwa, wo der Bildhauer Gustaf Vigeland Hunderte von bizarren Skulpturen aufstellte. Da kämpfen steinerne Frauen mit Drachen, ein Baby steht Kopf, und um einen phallischen Obelisken winden sich 121 verknäulte Damen und Herren. An besonders schönen, sonnigen Wintertagen trifft halb Oslo sich zum Schlittschuhlaufen auf dem Fjord vor dem Henie-Onstad Kunstzentrum, westlich der Stadt. Wer nicht aufs Eis geht, wandelt durch den Park und betrachtet die Skulpturen von Henry Moore oder Per Kirkeby. Zum Aufwärmen gibt's heiße Schokolade im Museumscafe oder ein Menü bei Bölgen & Moi, einem der besten Restaurants Norwegens. Und die meisten erweisen auch der Eisprinzessin Sonja Henie die Ehre. Sie ist eine Nationalheldin: Mit zwölf Jahren gewann sie die Norwegische Meisterschaft, war zehnmal Weltmeisterin und stiftete 1968 zusammen mit ihrem Mann Niels Onstad das Museum. Nur ein Jahr danach starb sie auf einem Flug von Paris nach Oslo. Im Treppenhaus des Museums hängt ein rührendes Bild von ihr im hautengen, goldenen Revuekostüm. Auf Samt sind ihre Pokale ausgestellt. Und im Park kann man ihr bescheidenes Grab finden, versteckt hinter Büschen, auf einer kleinen Anhöhe. Zurück in der Stadt, beginnt man den Abend am besten in der Bar Summit21 im 21. Stock des SAS Scandinavia Hotels. Bei einem Cocktail lässt sich hier auf das Wunderbarste der Sonnenuntergang über dem Oslofjord bestaunen. Wenn es langsam dämmert und die Lichter der Stadt angeknipst werden, wenn der Himmel magisch und dunkelblau leuchtet, versteht man, warum diese Stunde die Blaue genannt wird. Danach geht's noch auf einen Sprung ins Theatercafeen zum Sehen und Gesehen werden. Unter üppigen Gewölben und glitzernden Leuchtern trifft sich das schicke Oslo, um österreichisch zu speisen und viel zu trinken. Mette-Marit und Haakon würden sich hier nie sehen lassen. Sie lieben das Schlichte. Wer Glück hat, kann sie beim lässigen Abendessen im Restaurant "Arcimboldo" treffen. In das coole Künstlerlokal schlendern sie manchmal, weil es schön nah am Schloss liegt und weil sie dort nicht groß auffallen. Lang bleiben sie nie, schließlich ist die Prinzessin schwanger, und der Prinz hat viele Pflichten und muss früh aufstehen. Auch für uns ist es höchste Zeit, wieder auf den Holmenkollen zu fahren. An der Bar flackert schon das Kaminfeuer. Im Restaurant "De Fem Stuer" wird köstliches Steinpilzrisotto serviert, die über hundert Jahre alten Holzbohlen knarzen bei jedem Schritt des Kellners, und wir fühlen uns so richtig gut aufgehoben. Später dann, im kleinen Hotelzimmer mit dem großen Blick, geht vor dem Fenster fett und rosa der Mond auf, unten glitzern die Lichter der Stadt, das Wasser im Oslofjord schlägt hübsche, kleine Wellen. Und morgen früh wartet Jutta, die Olympiasiegerin, wieder mit einer sanften Lavendelmassage.