Cusco, das alte Zentrum des Inkareiches und heute Welterbestätte der Unesco, liegt gut 3300 Meter über dem Meeresspiegel, ein paar hundert Meter höher noch als der Gipfel der Zugspitze. Die Luft ist dünn hier, die Lunge nimmt weniger Sauerstoff auf. Der Körper braucht mehrere Tage, um sich auf die neue Umgebung einzustellen.
Touristen haben dafür in der Regel keine Zeit, sie möchten weiter nach Macchu Pichu. In Cusco steigen sie aus dem Flugzeug, hasten noch am selben Tag zu den Inka-Ruinen von Sacsayhuamán auf knapp 3600 Metern oder laufen stundenlang staunend durch die koloniale Altstadt. Nicht wenige bekommen Probleme mit der ungewohnten Höhe. Sie leiden unter Kopfschmerzen, Schwindel, Atemnot, Appetitlosigkeit. "Soroche" nennen es die Peruaner - Höhenkrankheit.
Es zischt leise von der Decke. Ein kleines grünes Lämpchen leuchtet auf - "oxygen system on" steht daneben. Don Armando steht auf einem gepolsterten Stuhl vor dem Lüftungsschacht. "Sehen Sie", sagt der Hoteltechniker und zeigt auf das Messgerät in seiner Hand. "Wir sind hier bei 24,1 Prozent Sauerstoffgehalt, normal sind 21 Prozent." Im Hotel Monasterio in der Altstadt von Cusco können sich Gäste zusätzlichen Sauerstoff aufs Zimmer bestellen. Das Luxushotel, das in einem Klostergebäude des 16. Jahrhunderts untergebracht ist, bietet diesen Service in 84 von 126 Zimmern. Und viele nutzen die Sauerstoffdusche. Denn auf 3300 Metern steht dem Körper nur noch etwa ein Drittel des auf Meeresniveau üblichen Sauerstoffs zur Verfügung. Das macht sich oft schon bei den ersten Schritten bemerkbar, der Atem stockt, das Herz rast. "Etwa jeder fünfte Gast ist von Soroche betroffen", schätzt Don Armando. "Vor allem Leute, die noch nie in der Höhe waren, haben Probleme."
Mit einem Schritt von 3300 auf 2400 Meter
Ein Generator im Keller produziert den Sauerstoff, der über lange Rohre in die Zimmer gepumpt wird, bis die gewünschte Sättigung erreicht ist. Wer dann die Zimmertür hinter sich schließt, steigt gefühlte 900 Meter ab - das Raumklima entspricht einer Höhe von rund 2400 statt 3300 Metern über dem Meeresspiegel. "Am besten man bleibt nach der Ankunft ein oder zwei Stunden im Zimmer, bevor man die Stadt erkundet", sagt Don Armando. "So nimmt man den zusätzlichen Sauerstoff im Blut mit und fühlt sich viel besser." Schläft man eine Nacht bei geschlossenem Fenster, heißt es in den Broschüren des Hotels, bleibe der erhöhte Sauerstoffgehalt im Körper am nächsten Tag sogar bis zu 15 Stunden lang erhalten.
Doch die Wirkung der nächtlichen Sauerstoffdusche wird von Wissenschaftlern bezweifelt. "Unser Körper kann Sauerstoff nicht speichern", sagt Peter Bärtsch, Sportmediziner am Universitätsklinikum Heidelberg. "Die natürliche Reaktion auf Sauerstoffmangel in der Höhe ist eine Steigerung der Atmung." Wenn nun im Hotelzimmer künstlich mehr Sauerstoff zur Verfügung gestellt wird, werde diese Akklimatisierung der Atmung verhindert. "Dann hat man das Problem am nächsten Tag, wenn man draußen herumläuft", sagt Bärtsch.
Zur Akklimatisierung sei der zusätzliche Sauerstoff daher keine gute Idee, insbesondere wenn man im weiteren Verlauf der Reise noch höher hinauf möchte. "Es kann aber gut sein, dass man sich kurzfristig fitter fühlt und nachts besser schläft", sagt Bärtsch. Bei den Kunden des Monasterio ist der Service jedenfalls beliebt, rund 70 Prozent der Gäste in den an das System angeschlossenen Zimmern buchen ihn bei der Reservierung mit - für rund 35 Euro pro Tag. Mittlerweile haben auch andere Luxushotels in Peru die Idee übernommen.
Aus einem Kloster wird ein Hotel
Das Monasterio ist auch ohne die vermeintliche Wunderwaffe zur Akklimatisierung ein perfekter Ort. Es ist ein Ruhepol im touristischen Jahrmarkt von Cusco. Die Klosteratmosphäre ist dem denkmalgeschützten Gebäude bis heute geblieben, die Gäste wohnen hier in luxuriöser Klausur, inmitten eines begehbaren Museums der spanischen Kolonialzeit. Christliche Reliquien stehen in Wandnischen, Fresken wurden restauriert. An den Wänden hängen Originalbilder der berühmten Kunstschule von Cusco. Die Bogengänge sind mit Glasscheiben abgedichtet, statt des Lärms der Stadt, hört man nur leise gregorianische Choräle.
Gegründet als Priesterseminar 1598, diente das Gebäude zwischenzeitlich als Universität und wurde 1965 zu einem Luxushotel umgebaut. Noch heute verliert man sich in den alten Gängen und Gewölben, geht über Steinböden des 16. Jahrhunderts, frühstückt im Refektorium und trinkt Pisco-Sour an der Hotel-Bar im ehemaligen Priester-Konvent. Die angeschlossene Kapelle von San Antonio Abad wird nur noch in seltenen Fällen von der Kirche selbst genutzt. Der prunkvolle Goldaltar gibt einen Vorgeschmack auf das, was einen beim Rundgang durch die Kirchen von Cusco erwartet. Dabei lässt man sich am besten viel Zeit, um sich nicht zu überanstrengen und Cusco ganz ohne Höhenkrankheit zu genießen.
Infos |
Anreise: Zum Beispiel mit KLM über Amsterdam nach Lima (www.klm.de) und weiter mit Lan (www.lan.com) oder Taca (www.taca.com) nach Cusco. |
Übernachten: Das Hotel Monasterio liegt nur wenige Meter von Cuscos Plaza de Armas entfernt, DZ ab 390 Euro, Sauerstoff-Zufuhr pro Tag 35 Euro. Das Haus gehört seit 1999 zum Portfolio von Orient-Express Hotels: Calle Palacio 136, Plazoleta Nazarenas, Cusco, Tel. +51 - 8424 1777, www.monasterio.orient-express.com |
Auch die Hotelkette Casa Andina bietet in ihren Luxushotels in Cusco und Puno eine Sauerstoffanreicherung in den Zimmern an: www.casa-andina.com |