Mehrere bunte Nabelschnüre, dick wie Baumstämme, hängen aus dem Schiffsbauch am Bug herab und versorgen den Neubau mit Energie. Von außen wurde die "Norwegian Prima" bereits fertig lackiert und zum Ausrüstungskai der Fincantieri Werft geschleppt. Doch wer das Innere des Stahlkoloss betritt, begibt sich in die Eingeweide eines Wesens, das erst noch ein Kreuzfahrtschiff werden will.
Die Gedärme liegen bloß, alles wirkt wie aufgeplatzt: offene Decken mit hängende Kabelschlingen und überquellenden Röhren, ein Wirrwarr am Boden. Es riecht nach kaltem Stahl, Farbe und Klebstoffen. Monteure stehen mit ihren grellen Arbeitslampen auf Gerüsten und werkeln, Fräsen kreischen, Funken sprühen.
Kaum vorstellbar, dass dieses Schiff schon am 15. April zu einer ersten Testfahrt in die Adria auslaufen soll. "Wir haben vier Millionen Meter an Kabeln bereits verlegt", sagt Antonio Quintano, der Werft-Chef, beim Rundgang. Für Fincantieri ist die "Prima" nicht irgendein Neubau, sondern der Prototyp einer neuen Schiffsklasse.
Die "Norwegian Prima" ist erst der Anfang
Die in Miami beheimatete US-Reederei Norwegian Cruise Line (NCL), bisher Kunde bei der Meyer Werft in Papenburg, hat gleich sechs Exemplare bestellt. Bis 1927 wird jedes Jahr ein neues Schiff in Dienst gestellt. Bereits im Juni 2023 soll die "Norwegian Viva" folgen, die zurzeit im benachbarten Trockendock entsteht.
Im Gegensatz zu den Schiffen der Breakaway Plus Class, wie zum Beispiel der 165.157 BRZ großen "Norwegian Escape" von NCL mit Kabinen für 4266 Passagiere, folgt der neue Schiffstyp nicht dem Trend zu noch größeren Megalinern, sondern fällt kleiner aus: Die Tonnage wurde auf 142.500 BRZ reduziert mit Platz für 3250 Kreuzfahrtgäste.

Statt auf Quantität setzt NCL auf Qualität, nicht nur bei der Restaurant-Vielfalt und den Kunstwerken – unter anderem mit Skulpturen von Alexander Krivosheiw an Bord.Auch beim Platzangebot geht man neue Wege: So beträgt das Platz-Gast-Verhältnis auf der "Norwegian Prima" 44,3 PSR (Passenger Space Ratio) – im Vergleich dazu "Mein Schiff 1" (PSR 37,4), "Aida Bella" (PSR 32,2) oder "Costa Smeralda" (PSR 28,1).
Heute bedarf es einer gehörigen Portion Fantasie, dass der Neubau schon in wenigen Woche zum ersten Mal in See stechen wird, während der Innenausbau immer mehr Gestalt annimmt. Im Sommer wird das Schiff nach einer geplanten Bauzeit von 27 Monaten an NCL übergeben werden.
Am 27. August wird die "Prima" von der Sängerin Katy Perry an einem ungewöhnlichen Ort getauft werden, im Hafen der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Der Taufname ist nicht besonders glücklich gewählt, denn ein Kreuzfahrtschiff mit fast demselben Namens gibt es bereits, die 2016 in Hamburg getaufte "Prima" von Aida Cruises.
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