Kapstadt, das gern als das Sylt oder St. Tropez von Afrika wahrgenommen wird, mit weißen Villen vor brandender Gischt, Shopping Malls, Golfplätzen und Weingütern, dieses Kapstadt ist in den letzten Jahren sehr viel schwärzer geworden. Urbaner. Cooler. Gleich so, als ob die Stadt nach den bleiernen Jahren der Apartheid wieder an das Erbe des District Six anknüpfen möchte, jenes legendären, spannenden Stadtteils, in dem Weiße, Coloureds und Schwarze einst gemeinsam Jazz spielten, tanzten, zur Schule gingen, Zeitungen verlegten - bis 1968 die Bulldozer anrückten.
Kurt Schoonraad kann sich noch daran erinnern, wie er als Sechsjähriger mit seinen Eltern aus District Six nach Mitchells Plain umgesiedelt wurde, in ein vom Militär errichtetes Camp ohne Bäume, Grünflächen, Tiere. Schoonrad, einer der erfolgreichsten Stand-up-Comedians des Landes, lehnt an der Theke des "River Club", wartet auf seinen Auftritt und fragt: "Ist euch schon mal aufgefallen, dass in den Filmen immer nur Weiße von UFOs entführt werden? Hey, wir Coloureds wollen auch entführt werden!" Allerdings hätten die Außerirdischen bald keine Wahl mehr, denn: "Serious, Bro, die weiße Rasse stirbt aus." Seine Frau stammt aus Deutschland, und auch die meisten seiner Freunde sind gemischte Paare. Das sei die wahre Globalisierung: Alles vermählt sich. "Wir Coloureds regieren bald die Welt."
Zumindest regieren sie schon mal Cape Town und die umliegende Provinz Western Cape. Kapstadt ist die einzige Großstadt Südafrikas, in welcher der African National Congress (ANC), einst die Partei Nelson Mandelas, regelmäßig bei Wahlen der Democratic Alliance unterliegt. Die DA, mit Helen Zille, der Großnichte des Berliner Milieu-Malers Heinrich Zille an der Spitze, wird nämlich hauptsächlich von Coloureds unterstützt. Und die stellen in Kapstadt die größte Bevölkerungsgruppe.
Warum tragen die Frauen bei der Miss-Soweto-Wahl Bikinis?
Doch Politik und Religion streift Schoonraad nur, er spießt lieber die Absurditäten im Alltagsleben auf. Diesen Abend beginnt er mit einer Zeitungsmeldung: Die Polizei in einem noblen Vorort von Kapstadt lässt ihr Revier neuerdings von einer privaten Sicherheitsfirma überwachen. Er holt sein Handy aus der Tasche, fiepst, ja, Sergeant Schoonraad hier, er habe da irgendwas gehört. So ein Geräusch vor dem Fenster. Ob sie mal jemand schicken könnten? Seine Haare stehen zu Berge, die Augen kullern. Die ersten Zuschauer kriegen sich nicht mehr ein vor Lachen.
Die Comedians, die nach ihm die Bühne des feinen Clubs in Observatory betreten, scheren sich wenig um political correctness: "Warum tragen die Frauen bei der Miss-Soweto-Wahl eigentlich Bikinis? Das ist doch total sinnlos. Brauner werden sie schließlich nicht mehr. Und schwimmen können sie eh nicht." Humor in Südafrika ist selten subtil. "Wir sind die jüngste Demokratie, Bro", erklärt Schoonraad. "Wir sind noch im Rausch der Meinungsfreiheit." Und rät: "Je mehr du trinkst, desto lustiger sind wir." Es wird viel getrunken an diesem Abend.
Nach der Show leert sich der Parkplatz vor dem "River Club" schnell. Gelände- und Sportwagen verschwinden in der Nacht, bringen ihre Passagiere zurück in die wohlhabenden Vororte entlang des Atlantiks. Kurt Schoonraad könnte zu seinem Haus in Observatory zu Fuß gehen.
Vor ein paar Jahren war er zu einer Party in Obs eingeladen worden. Danach stand für ihn fest, dass er in das Viertel ziehen wollte - eine Handvoll von Straßen eigentlich nur, mit kleinen viktorianischen Bungalows und zweistöckigen Häusern mit schmiedeeisernen Balkonen, in denen sich Plattenläden eingenistet hatten, kleine Cafés, Secondhand-Buchläden. "Die Suburbs sind so konservativ: Weiße sind Weiße, Farbige sind Farbige. Ich wollte an einen Ort ziehen, wo jeder so sein kann, wie er will." Nun teilt er sich die Straße mit einem Clownpaar, das eine Zirkusschule betreibt, und zwei Karatekämpfern mit schwarzen Gürteln. Die Kinder, die in die Schule gegenüber marschieren, haben holländische, griechische, malaiische und Zulu-Wurzeln. Manche sind die Vereinten Nationen in einer Person: mit Vorfahren von drei verschiedenen Kontinenten. Sie tragen Schuluniformen wie in Großbritannien und sprechen ein melodisches Englisch, das an geeigneten Stellen holländisch durchsetzt ist: "Oh, Kaack!", schreit einer, als sein Eis auf den Bürgersteig klatscht.
Maskuline Mode aus dem Township
Drei, vier Kilometer entfernt, in seinem Atelier am Ende der Long Street, bringt es Craig Native so auf den Punkt: "Diversity is strength." Dieses Kredo hat er in sein Firmenwappen aufgenommen, es ziert die Trainingsanzüge, die er für Puma entworfen hat, und seine Frühlingskollektion, die ganz im Zeichen von Fußball stand: Zum Abendkleid trugen seine Models auf dem Laufsteg schwarz lackierte Makaraba-Helme, die sonst Fans im Stadion tragen, kurze Röcke kombinierte er mit Schienbeinschonern.
Denn das, sagt Craig Native, mache er am liebsten: mischen. Am Discjockey-Pult, wo er an Wochenenden seine Lieblingsplatten auflegt, oder am Entwurfstisch. Schon als Jugendlicher im Township hat er angefangen, Vintage-Mode zu sammeln und die Sachen umzunähen, damit sie ihm passten oder um sie in etwas ganz Neues zu verwandeln. Mit Erfolg. 2002 trat der amerikanische Rockstar Lenny Kravitz in Streetwear von Native auf. Auch die Weltmeister im Breakdance, zwei Brüder aus dem Township, tragen seine Mode, die maskulin und sportlich wirkt.
Heute vermischt sich in Kapstadt alles
Als die Mauern der Apartheid fielen, sagt Native, öffnete sich eine völlig neue Welt für ihn. Davor durfte er als einer der besten Sprinter des Landes nicht gegen weiße Sportler antreten. Die Landesausscheidungen fanden nach Hautfarben getrennt statt. Nicht in verschiedenen Stadien - in verschiedenen Städten! So groß war die Furcht der Apartheid-Regierung vor Kontamination, vor Durchmischung.
Ist er wütend darüber, so lange als Mensch zweiter Klasse behandelt worden zu sein? Nein, sagt Native. "Wer wütend ist, zahlt den Preis dafür. Ich freu mich darüber, was wir erreicht haben." Heute vermische sich in Kapstadt alles: Alt und Neu, Schwarz, Weiß und Farbig, England, Afrika, Indien.