Thailand Die Ruhe nach dem Sturm

Die Tsunami-Katastrophe ist nicht vergessen, doch in Thailand haben sich die Menschen nicht unterkriegen lassen. Zerstörte Touristenregionen wurden wieder aufgebaut, andere neu erschlossen. Und die Gäste kommen zurück.

Wir hatten im Grunde ein Riesenglück", sagt Wolfgang Meusburger. "Ein Einziger unserer Gäste ist durch die Welle umgekommen. Ansonsten nur Schaden." Schaden? Auf den Fotos im Tsunami-Album, das der Chef des Holiday Inn von Phuket seinen Gästen gern aufblättert, sieht das Hotel am Patong Beach kriegsmäßig verwüstet aus. Die Bilder, kurz nach der Katastrophe aufgenommen, zeigen Autowracks im Pool, zerfetzte Liegen, Berge von zertrümmerten Fenstern, Tischen, Klimaanlagen. "Es gibt ein Video, auf dem ein Tuk-Tuk in die Hotelhalle schwimmt", lacht der Österreicher. Tuk-Tuk wird die knatternde Motor-Rikscha genannt, ein Maskottchen Thailands. Heute erinnert im Holiday Inn nichts mehr an die Todesflut. Die Zimmer randlos renoviert, die ganze Anlage auf Hochglanz getrimmt. Der Hauptflügel des 400-Betten-Hotels wurde total saniert, der Standard ist jetzt höher als vor der Welle. "Der Tsunami war unsere Chance, richtig durchzustarten", sagt Meusburger. Auch manches Rädchen im großen Touristikgetriebe blieb am Laufen. Stammgäste spendeten direkt, zum Beispiel für ihre Liegen-Aufsteller, Massagefrauen oder Cola-Verkäufer. Im Pearl Village Hotel, nahe dem Flughafen, lief reichlich Gästegeld für die Budenbesitzer auf. Die Taxibetreiber am Hotel wurden derart gut bedacht, dass sie sich ein Stück Land kaufen konnten. Im Pearl kam niemand ums Leben. Zwar fand man den Pizzaofen im Pool, und ein Drittel der 243 Zimmer lief voll Wasser. Doch Mitte Januar war alles wieder trocken. Mit Tsunami-generierten Dauergästen - schwedischen Helfern und Polizisten - rettete sich das Hotel über die Nebensaison. Und die Zukunft? "Die Hochsaison wird wieder normal", glaubt Manager Robert Frei.

"Phuket is back!", melden riesige Straßenschilder auf Thailands Devisenmine in der Andamanensee. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, möglich nur durch die Schau-nicht-zurück-Mentalität der Thais. Patong Beach, der stärkste Touristenmagnet, wirkt tatsächlich, als wäre nichts geschehen am 26. Dezember 2004. Vom breiten Strand aus lassen sich Urlauber an Fallschirmen über die Bucht ziehen, gegen Abend wird der Beach zum Fußballplatz. Patong ist wieder die alte Rummelmeile mit Häagen-Dazs, Crocodile-Disco und Girlie-Bars. Die Luft samtig, die Wolken dramatisch. Kaum einen, der in die röhrende Brandung blickt, überkommt ein mulmiges Gefühl. Die meisten der 55 000 Hotelbetten Phukets blieben vom Tsunami verschont. Doch im Ausland spricht sich nur allmählich herum, dass die Insel nicht halb so verheerend getroffen wurde, wie es Katastrophenberichte suggerierten. "Besonders das Fernsehen hat viel Verwirrung gestiftet", sagt Hajo von Keller, Inhaber des kleinen, feinen Hotels Mangosteen. Es liegt hoch auf einem Hügel in der Nähe des Rawai Beach und hat keinen Tropfen abbekommen. Oder eben doch: "Manche Sender zeigten das plattgewalzte Aceh in Indonesien als Standbild, während die Reporter über Phuket redeten. Auch Khao Lak und Phuket wurden oft in einen Topf geworfen. So musste ich gegen eine Stornierungswelle ankämpfen." Rätselhaft unterschiedlich schlug das Wasser zu. Verwüstungen gab's am Strand von Kamala. Doch der nördlich davon gelegene Bang Tao Beach mit seinen Lagunenhotels kam glimpflich davon. Auf dem Postkarteneiland Phi Phi Don wurde das Holzbudendorf Ton Sai Bay, beliebter Treff der Rucksackszene, in Stücke gerissen. Doch das Holiday Inn im Nordosten, ein nur per Boot erreichbares Refugium, blieb unversehrt. Auch auf dem nahen Koh Lanta hielten sich die Schäden in Grenzen. Am ärgsten traf es Khao Lak nördlich von Phuket. Viele der 4200 Tsunami-Toten in Thailand wurden hier geborgen. Traurige Berühmtheit erlangte das Sofitel Magic Lagoon, wo auch viele Deutsche umkamen. Khao Lak ist bis heute eine Großbaustelle. Überall wird abgerissen und planiert, vielerorts auch schon wieder aufgebaut. Mit dem Schild "Opening soon!" machen sich Ladenbesitzer und Hoteliers Mut. Ein Teil der unbeschädigt gebliebenen Hotels und Hütten ist gut belegt - mit freiwilligen Aufbauhelfern.

Doch es dauert wohl noch ein, zwei Jahre, bis wieder Strandleben in die Todeszone einzieht. Jetzt hängen da noch Suchbilder, die den Betrachter trotz tropischer Hitze frösteln lassen: "Reward 10 000 $. Oliver Persson, 3, from Denmark, last seen Tropicana Resort, 26/12/04". Am Coconut Grove, wo sämtliche Hütten und Lokale verschwanden, sind die Palmen stehen geblieben. Darunter keimt unverwüstlich cocos nucifera, die ewige Kokosnuss. Nördlich von Khao Lak, im Similana Resort, einer urigen Dschungelherberge, kreischen die Sägen. Die Hütten werden erneuert, was der zuletzt etwas in die Jahre gekommenen Anlage gut bekommt. Nebenan wurde Anfang Oktober das edel gestylte 57-Zimmer-Hotel Sarojin eröffnet. "Und zwar nicht wieder-, sondern neu eröffnet", betonen die Mitbesitzer, das englische Ehepaar Kate und Andrew Kemp. Ursprünglich wollten sie im Januar aufmachen. Dann kam die Welle. Die Kemps haben keinen ihrer 100 Angestellten entlassen. "Alle sind wahnsinnig motiviert", sagt Kate Kemp, "und wissen Sie was? Die Buchungen laufen prächtig an." Die Region harrt hoffnungsfroh der neuen Saison. Ab sofort soll das Geschäft wieder brummen. In Phuket und Umgebung hängen Zehntausende Arbeitsplätze am Tourismus. Um Zögernde zu ködern, verlängerte das Sheraton Hotel am Bang Tao Beach seine Nebensaisonpreise bis zum 20. Dezember. Frank Hoppe, Gebietsreiseleiter der Tui, ist optimistisch: "Sieht so aus, als würde diese Saison noch besser als die letzte. Und die war schon sehr gut - bis zum Tsunami." Allein 438 000 Bundesbürger düsten im vergangenen Jahr ins Reich von Sirikit und Bhumibol. Zuwachs zum Vorjahr: 16 Prozent. Bis zur Jahresmitte 2005 betrug das Plus immerhin noch 5,6 Prozent. Offenbar gibt es ihn wirklich, den so genannten Katastrophen-Gewöhnungseffekt. Wegen der weltweiten Inflation von Desastern hafteten diese heutzutage nur kurz im Urlaubergedächtnis - so die zynisch realistische Kalkulation der Branche.

Sollte Phuket dennoch in Zukunft etwas weniger einnehmen, so könnte das an der Konkurrenz liegen. An vielen Küstenabschnitten Thailands entstehen neue Urlaubszentren. So in Ranong am Isthmus von Kra, 560 Kilometer südlich der Hauptstadt, bei Chumphon südlich von Hua Hin und auf Koh Samet im Golf von Thailand. Das meiste Potenzial hat die Golfinsel Koh Chang. Vor zehn Jahren ein Backpacker-Tipp wie einst Koh Samui, poppen auch dort die 5-Sterne-Hotels nur so aus dem Sand. Denn seit auf dem Festland bei Trat ein privater Flugplatz eröffnet wurde, ist es von Bangkok zur "Elefanteninsel" nur ein 40-minütiger Luftsprung. Die Busfahrt dauert sechs Stunden. Koh Chang war vom Tsunami nicht betroffen. Am Hauptstrand White Sands Beach herrscht im Dezember und Januar Auftrieb. Die Ostküste und das von Regenwald bedeckte Inland dagegen sind touristisch wenig beleckt. Die zweitgrößte thailändische Insel nach Phuket hat alle Thailand-Klassiker in petto, die traditionelle Massage (no sex!), Tauchen, Affengucken, Elefantenreiten. Bootstouren gehen zu diversen Nachbareilanden, eine Kochschule führt in die Geheimnisse der Thai-Küche ein. In Restaurants und Fressbuden werden Dauerbrenner der lokalen Küche gebrutzelt. "Fried chicken with cashewnuts" (wird als "Flai schiek wi keschuna" bestellt), oder "flai lai" (fried rice).

Thailand: Neue Angebote

Bangkok: Zweitägige Flusskreuzfahrt mit umgebauter Reisbarke auf dem Chao-Phraya-Fluss, ab 190 Euro p. P. (Tui).
Phuket: Sechstägige Dschunkenkreuzfahrt ab Phuket/Krabi in der Andamanensee, ab 839 Euro p. P. (Dertour). Inselhüpfen in der Andamanensee, 16 Tage ab 485 Euro p. P. (thailand-direkt.de).
www.phuket-island.de
Koh Chang: 13 Nächte Ü/F im Banpu Beach Resort, ab Deutschland in der Nebensaison ab 950 Euro, Hochsaison ab 1360 Euro (Meier's Weltreisen). www.kohchangvr.de
Thailändische Tourismusbehörde: www.thailand tourismus.de. Infos über die Aufbauarbeiten in Khao Lak, verbliebene Anlagen, geöffnete Restaurants usw.: www.khaolakguide.de

Was Koh Changs Charme ausmacht, ist der Gästemix. Zum Glück ging der Plan thailändischer Investoren, den Platz exklusiv auf Großverdiener zu trimmen, bislang nicht auf. Die schedderige Fähre transportiert ein buntes Völkchen, vom leicht blasierten Gast des palmenreichen, 165 Luxuszimmer großen Amari-Hotels bis hin zum Struppie mit dem Lonely-Planet-Führer in der Cargo-Hose. Der findet auf Koh Chang noch jede Menge spottbillige Quartiere, wie in der Tree House Lodge am Lonely Beach. Für ein paar Dollar pro Nase verschwitzte Nächte unterm quietschenden Deckenventilator, Moskitostiche im Dutzend und als Zugabe die Lustschreie des Pärchens von nebenan. Eben jenes Traveller-Idyll, das anderswo unter die Hotelketten geraten ist. Auf Koh Chang gibt es sie noch, diese alternativen Miniaturen. Wenn, nur mal zum Beispiel, eine Susi, Sue oder Suzanne auf einer Terrasse am Lonely Beach in der Hängematte liegt und etwas total Joanbaeziges zur Klampfe singt. Susi könnte aus Alex Garlands Travellerschinken "The Beach" entsprungen sein. Und Sätze könnte die sagen, Sätze wie aus diesem Thailand-Kultbuch, dessen Figuren immerfort nach ihrem Shangri-la unter Palmen fahnden: "Wir versuchen, hier einen Ort zu schaffen, der sich nicht in einen Ferienstrand verwandeln wird."

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Wolfgang Röhl

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