Türkei & Thailand Wohin Russen trotz Sanktionen noch reisen (dürfen)

Urlauber tummeln sich an einem Strand nahe Antalya in der Türkei
Urlauber tummeln sich an einem Strand nahe Antalya in der Türkei. Viele von ihnen dürften aus Russland kommen.
© NurPhoto / Imago Images
Wegen des Krieges gegen die Ukraine sind die Menschen in Russland zahlreichen Sanktionen ausgesetzt. Davon ist auch die Reisefreiheit betroffen. Dennoch tummeln sich russische Touristen an Sonnenstränden herum. Denn auch russische Airlines fliegen trotz Sanktionen weiter.

Sommer, Sonne und Sanktionen. Während sich viele Europäer, Amerikaner und Asiaten trotz Rekordtemperaturen und Hitzewellen an der Adria und den Rivieren des Mittelmeeres tummeln und sich durch Altstädte schieben, haben es viele Russen deutlich schwerer, denn die freie Wahl der Urlaubsdestination ist für sie eingeschränkt und erschwert.

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben viele Staaten, darunter auch Deutschland und die Europäische Union, eine Reihe von Maßnahmen ergriffen und ein Sanktionspaket nach dem anderen geschnürt. Dies betrifft auch die Einreise in die EU.

Da ist zum einen der Flugverkehr zwischen Russland und den EU-Staaten: Beide haben ihren Luftraum füreinander gesperrt. Direktflüge etwa von Moskau nach Athen oder von St. Petersburg nach Barcelona sind nicht mehr möglich. Auch Überflüge sind nicht mehr gestattet.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin ist die Möglichkeit der Einreise über internationale Drehkreuze – Istanbul oder Dubai beispielsweise – zwar möglich, allerdings zu stark verteuerten Preisen. Reisen auf dem Landweg von und nach Russland seien aber weiterhin möglich.  

Viele Russen zieht es in die Türkei

Zudem hat die EU im September vergangenen Jahres beschlossen, die Visaerleichterungen zwischen den EU-Staaten und Russland komplett auszusetzen. Außerdem sind EU-Häfen für russische Schiffe geschlossen.

Das hält viele Russinnen und Russen aber nicht davon ab, in den Süden zu reisen und sich an den Sandstränden zu bräunen.

So fliegen immer noch viele sonnenhungrige Russen in die Türkei. Ein Blick auf die Ankünfte am Flughafen von Antalya zeigt, dass dort russische Airlines mit Maschinen aus Moskau, Kasan, Sotschi oder Wladikawkas landen. Anders als in der EU ist der türkische Luftraum für russische Jets nicht gesperrt.

Und es sind noch mehr Flüge zwischen den beiden Ländern geplant, wie die "Hürriyet Daily News" im April schrieb. Rund sieben Millionen Touristen aus Russland werden demnach in diesem Jahr im Nato-Land Türkei erwartet – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Die meisten ziehe es nach Antalya.

Drei Matrjoschka-Statuen stehen in Liman, Konyaalti, einem für seine große russische Bevölkerung bekannten Stadtteil von Antalya
Drei Matrjoschka-Statuen stehen in Liman, Konyaalti, einem für seine große russische Bevölkerung bekannten Stadtteil von Antalya
© Diego Cupolo / NurPhoto / Imago Images

Für die Türkei sind die Touristen aus Russland auch eine wichtige Einnahmequelle. Wie der "Middle East Monitor" vergangene Woche berichtete, hat die Türkei im ersten Halbjahr dieses Jahres mehr als 21 Milliarden US-Dollar durch den Tourismus eingenommen. Ein großer Teil davon dürfte von den Besuchern aus Russland kommen.

Aber nicht nur Touristen verweilen an der Türkischen Riviera. Auch Menschen, die aus Russland geflohen sind, haben sich in Antalya niedergelassen – um der Einberufung in die russische Armee oder den Sanktionen in der Heimat zu entgehen oder weil sie mit dem Krieg nicht einverstanden sind.

Thailand, Malediven und VAE beliebte Reiseziele in Russland

Immer mehr Russen zieht es aber auch in die Ferne. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg im Juli berichtete, zieht es vor allem die Wohlhabenden nach Phuket in Thailand, wo es sogar ein russisches Konsulat gibt. Nicht nur zum Urlaub, sondern auch zum Immobilienkauf. Die Zahl der Russen, die Thailand besuchen, sei im vergangenen Jahr um mehr als 1000 Prozent gestiegen, heißt es in dem Bericht. Der Kreml bemüht sich derzeit um engere Beziehungen zu Bangkok. 

Erwähnt werden sollte aber, dass nur ein kleiner Teil der Russen überhaupt ins Ausland reist. Schätzungen zufolge reisen nur rund 20 Prozent der russischen Bevölkerung ins Ausland; etwa 30 Prozent haben überhaupt einen Reisepass.

Fernziele wie die Vereinigten Arabischen Emirate, die Malediven oder Ägypten sind laut Euronews auch bei Russen mit dickerem Geldbeutel in der Gunst gestiegen. Auch die Seychellen seien beliebter geworden, berichtete der US-Sender CNBC.

Aber nicht nur ferne Ziele stehen bei den reisefreudigen Russen hoch im Kurs. Auch das Nachbarland Georgien – mit dem sich Russland 2008 im Krieg befand – ist nach wie vor beliebt. Die Zahl der Besucher aus dem Nachbarland ist in Georgien gestiegen, vor allem, nachdem Russland das Verbot von Direktflügen im Mai gelockert hat. Die Touristen kommen zu Zehntausenden in die Schwarzmeerregion, die für ihre Küche, den Wein, die Berge und die Strände geschätzt wird.

Ein Airbus A330 der russischen Aeroflot am Flughafen von Phuket
Ein Airbus A330 der russischen Aeroflot am Flughafen von Phuket
© Maksim Konstantinov / Imago Images

Russen reisen auch gerne nach Georgien – wo sie nicht willkommen sind

Trotz des Krieges vor 15 Jahren und obwohl man eigentlich eine Aufnahme in die EU anstrebt, sucht die Regierung in Tiflis gerade wieder die Nähe zu Moskau. Die Mehrheit der Bevölkerung steht jedoch auf der Seite der Ukraine.

Deshalb sind Russen bei vielen Georgiern auch nicht sehr willkommen. Laut einer Umfrage vom April dieses Jahres sagten nur vier Prozent der Georgier, Russen seien "sehr willkommen". Ganze 29 Prozent sagten, Russen sollten das Land verlassen. Und 37 Prozent meinten, Russen sollten überhaupt nicht ins Land gelassen werden, es sei denn, sie gäben besetzte Gebiete an Georgien zurück. Gemeint sind die Regionen Abchasien und Südossetien, die sich von Georgien losgesagt haben.

Diese Ablehnung schlug vergangene Woche russischen Kreuzfahrttouristen entgegen, die in der georgischen Hafenstadt Batumi vor Anker lagen. Anti-Kriegs-Demonstranten warfen Eier und forderten die Abreise der Russen, wie die britische BBC berichtete. Mehrere Menschen seien festgenommen worden.

Demonstranten in Georgien zeigen Urlaubern auf einem russischen Kreuzfahrtschiff den Mittelfinger
Demonstranten in Georgien machen deutlich, was sie von russischen Touristen halten
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Russische Airlines trotz harten Sanktionen in der Luft

Dass die Russinnen und Russen überhaupt wieder in Scharen reisen können, liegt auch daran, dass die Fluggesellschaften trotz der harten Sanktionen im Luftfahrtsektor weiterhin ihre Maschinen in Russland starten und landen lassen.

Die EU hat den Export von Gütern und Technologien für die Luft- und Raumfahrt verboten, ebenso die USA, Kanada und Großbritannien. Das bedeutet, dass russische Fluggesellschaften keine Flugzeuge, Ausrüstung oder Ersatzteile bei den überwiegend westlichen Flugzeugherstellern wie Airbus und Boeing bestellen können. Auch Reparaturen oder technische Überholungen sind nicht möglich.  

Da ein Großteil der russischen Airlines Flugzeuge aus dem Westen betreibe, "dürfte das Verbot im Laufe der Zeit dazu führen, dass ein erheblicher Teil der russischen zivilen Luftfahrtflotte nicht mehr eingesetzt werden kann, nicht einmal für Inlandsflüge", ist sich die EU sicher.

Ein Blick auf Flugverfolgungsportale wie Flightradar24 zeigt jedoch, dass Boeings und Airbusse russischer Fluggesellschaften wie Aeroflot, S7 Airlines oder Rossiya nach wie vor am russischen Himmel unterwegs sind.

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Anastasia Dagajewa, Publizistin und Expertin für die russische Luftfahrt, sagte dem Schweizer Rundfunk SRF, dass die in Russland eingesetzten Flugzeuge zu den am weitesten verbreiteten der Welt gehörten. Es sei daher nicht schwierig, Flugzeuge und Ersatzteile von anderswo zu beziehen. Zudem verschrotte die staatliche Fluggesellschaft Aeroflot bereits Teile anderer Flugzeuge, berichtete der "Aerotelegraph".

Sorge um Sicherheit bei russischen Airlines

Eine Entwicklung, die man mit Sorge betrachte, sagte Airbus-Chef Guillaume Faury dem "Aerotelegraph". "Wir hören von Situationen, in denen Teile oder Komponenten fehlen oder einige der Flugzeuge nicht in der Lage sind, weiter zu fliegen", sagte er im Februar. Man sei "etwas besorgt" über den Betrieb der Flugzeuge, habe aber keine Handhabe.

Ob dies auch Auswirkungen auf die Sicherheit der russischen Luftfahrt habe, sei nicht einfach zu beantworten, so Dagajewa. "Die Frage nach der Sicherheit ist sehr vielschichtig." Man müsse zum Beispiel den menschlichen Faktor berücksichtigen. Zudem sei die russische Luftfahrt in den vergangenen Jahren umfassend modernisiert worden.  

Die Expertin prognostiziert, dass die russische Luftfahrt zwar nicht zusammenbrechen, aber stagnieren werde. Noch kann sich Russland in diesem Bereich behaupten, auch dank der Hilfe aus eher russlandfreundlichen Ländern. Solange das gut geht, können die Russen auch weiterhin ohne größere Probleme nach Thailand oder in die Türkei jetten.