Die Reisenden an Bord des Luxusschiffes "The World" haben beides im Überfluss: viel Zeit und sehr viel Geld. Sie sind keine Passagiere, die im Reisebüro eine Kreuzfahrt gebucht haben und aus dem Koffer leben, sondern "Residents", sie wohnen monatelang an Bord.
"Nur die Reichsten der Reichen können sich das leisten“, sagt Andy Dinsdale, der Residential Director beim Rundgang. Statt Hunderte von Kabinen gibt es nur 165 Apartments mit mehreren Schlafzimmern bis zu einer Größe von 360 Quadratmetern auf diesem Schiff, das mit knapp 200 Metern ungefähr so lang wie die "MS Europa" von Hapag-Lloyd Cruises ist.
Zwischen 2,5 und 15 Millionen US-Dollar liegt der Kaufpreis pro Wohnung mit Meerblick. Doch das ist noch nicht alles: Die "maintenance fee", die laufenden Kosten, können je nach Apartmentgröße 750.000 US-Dollar pro Jahr betragen – das ergibt umgerechnet einen Tagespreis von 2000 Euro.
Nur mit einem Mindestvermögen von 10 Millionen US-Dollar kommt man in die engere Auswahl der Bewerber. Die schwimmende Immobilie wird vor allem von Nordamerikaner, Asiaten, Australiern und Europäern als "home" genutzt.
Das Residenzschiff ist kein Altersheim für Reiche
An Bord sieht man überraschend eher Paare in den besten Jahren. Menschen, die sich mit 40 Jahren aus dem aktiven Berufsleben zurückziehen konnten und nun die Welt entdecken. "The World ist keine Investition, es ist ein Lifestyle", erklärt Andy. Die Residents bleiben meistens sechs Monate im Jahr an Bord und legen die langen Seetage bei Transatlantikstrecken lieber per Flugzeug zurück. Im Durchschnitt wechseln die Apartments nach sechs Jahren wieder ihren Eigentümer. Dann haben sie viel von der Welt gesehen und bevorzugen wieder das Leben an Land.
Die Eigentümer bestimmen auch das Routing. Es gibt ein "itinerary committee", das die Route über Jahre im Voraus plant und über deren Varianten von monatelangen Weltreisen abgestimmt wird. "Every squarefeet is a voting right", sagt Andy, je größer das Apartment, desto gewichtiger das Stimmrecht.
Die geringe Größe des Schiffes hat den Vorteil, dass auch kleine Häfen angelaufen werden. Dort macht "The World" meistens für mehrere Tage fest, damit die Residents die Gegend ausgiebig erkunden können. "Wir werden uns in Wismar ein Auto mieten und nach Berlin fahren", sagt Jeanette, die zusammen mit ihrem Lebenspartner seit der Generalüberholung des Schiffes im Frühjahr nach dem Werftaufenthalt in Cadiz an Bord kam.
Das Paar organisiert sich die Landausflüge selbst, wobei das Team von der Rezeption behilflich ist. "The people make The World", fasst die Engländerin den Lebensstil an Bord zusammen, wobei sie nicht nur an die Residents an Bord denkt, sondern die Crew miteinschließt – 250 an der Zahl.
Community at Sea
Letzte kennen die Vorlieben ihrer wenigen Gäste bis ins kleineste Detail und fühlen sich besser als auf jedem Kreuzfahrtschiff, auf dem sie oft zuvor gearbeitet haben. Anders als bei US-Reedereien haben sie während der Corona-Zwangspause auch weiterhin ihren Lohn erhalten.
"Wenn einer der Residents an Bord Geburtstag hat, kann es vorkommen, dass zur Party nicht nur Mitreisende eingeladen werden, sondern auch schon mal die ganze Crew", erzählt Jeanette. So einzigartig seien die Atmosphäre und die "community" auf dem Schiff. Sie habe nur ein Problem, wenn sie von Bord geht. "Es ist dann schwer, wieder in der realen Welt zu sein."
Weitere Infos: https://aboardtheworld.com
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