Zypern Für eine Handvoll Cents

Von Roland Brockmann, Zypern
Sie laufen stundenlang über den Strand, haben teure Ausrüstungen und seltsame Theorien: die Schatzsucher auf Zypern. Denn nicht immer frisst das Meer nur am Land. Manchmal gibt es auch zurück - selbst in klingender Münze.

Ja, was war denn das für einer? Über die Ohren einen knallgelben Kopfhörer gestülpt, an seinem rechten Arm eine Teleskopstange, die er wie eine Sense über den Sand schwang. Alle anderen Urlauber relaxten auf ihren Liegen am Strand von Coral Bay auf Zypern, während er systematisch den Boden sondierte. Wonach suchte der Mann da?

Sondengänger trifft man inzwischen fast überall. Manche finden wertvolle Schmuckstücke, andere nur leere Patronenhülsen. Fast jedes gefundene Stück erzählt eine Geschichte, aber vielen kommt es weniger auf den Fund an als auf die Suche - das Sondeln, wie es im Fachjargon heißt. Der Weg als Ziel.

Dann entdeckte ich am Ende seiner Stange den runden Sensor und begriff, dass das, was aus der Ferne wie eine Sense aussah, in Wahrheit ein Metalldetektor war - und George ein Sondengänger. Ein Schatzsucher am Strand. Wie mir Freunde bestätigen, eine neue Form des Aktivurlaubs. So wie andere mit Golfschläger oder Surfbord, reisen diese Urlauber mit Metalldetektor im Gepäck ins Zielgebiet. Nachdem Äcker, Burgruinen oder alte Schlachtfelder in der Heimat schon abgegrast sind, treibt es die Sondengänger in die Ferne: egal, ob an den Beach von Bali oder eben den von Zypern.

Buntmetalle im Beach

Längst hat man sich hierzulande zur "Interessengemeinschaft der Sondengänger" organisiert, die unter dem Motto "Sondeln ohne Reue" dafür eintritt, dass aus Schatzsuchern keine Schatzräuber werden. Denn nicht überall ist das Sondeln erlaubt, etwa auf eingetragenen Bodendenkmälern. Illegale Grabungen sind Raubgrabungen, und gerade dem deutschen Sondengänger tun sich immer wieder Fragen auf, wie etwa die Problematik von "Buntmetallen in gestörten Ackerflächen".

George, 70, hingegen ist ein echter Einzelgänger. Der pensionierte Taxifahrer aus London sondelt am liebsten allein und zur Winterszeit auf Zypern. Allzu leicht komme man sich in die Quere, findet er. Seit zehn Jahren ist er nun als Sondengänger unterwegs, spezialisiert auf Strandgut. Und welche Schätze hat er bereits geborgen? George muss nachdenken: "Insgesamt vielleicht Münzen im Wert von 1000 Zypriotischen Pfund", etwa 1700 Euro. Für seinen neuen Detektor, ein Spezialgerät, das auch die Meeresbrandung nicht scheut, hat er allerdings gerade 1100 Euro investiert.

Zwar piept es in seinem Kopfhörer ziemlich häufig, aber fast immer handelt es sich um offizielle Zwanzig-Cent-Münzen, die zunächst in seine Bauchtasche und später über den Ladentisch wandern; George hortet nicht, er gibt die gefundenen Münzen einfach aus. Dabei gebe es gute Jahre und schlechte, ganz wie im Leben. In Zeitaufwand umgerechnet, komme er "nicht einmal auf einen gesetzlichen Mindestlohn", aber er hat ja noch seine Rente.

Neuer Sturm, neues Glück

Auf goldene Dukaten von weit entfernten Gestaden oder gesunkene Schätze aus der Tiefe des Ozeans hofft er gar nicht erst. "Das Meer", erklärt George, "wälzt sozusagen nur um, was irgendwann am Strand selbst verloren ging. Nach jedem Sturm gilt ein bereits abgesuchter Strand wieder als frisch. Und der vom letzten Wochenende hat rund dreißig Zentimeter Sand auf den Strand draufgepackt."

Über den Autor

Roland Brockmann, 46, war in über fünfzig Ländern unterwegs (von Algerien bis Zypern): meist abseits der touristischen Trampelpfade - auf dem harten Sattel von Fahrradtaxis oder im UN-Hubschrauber. Er schlief in Buschhütten und Kingsize-Betten, am Strand und in den Bergen. Nach zwei Jahren in Ostafrika lebt der gebürtige Hamburger heute als freier Journalist in Berlin. Aber immer wieder treibt es ihn fort, denn: "Die Heimat steckt in den eigenen Stiefeln."

Nicht immer also frisst das Meer nur am Land. Manchmal gibt es auch zurück - selbst in klingender Münze. Und zwar genau gewogen, wie der Sondengänger glaubt: Einmal fand er 33 Fünfzig-Cent-Stücke, von der See ganz sauber in einer Reihe an den Strand geschwemmt, weil sie dasselbe Gewicht hatten. Und alles, was er heute fand, war älter als zehn Jahre. Aber dafür hat auch George keine Erklärung.

Kurz nach einem Sturm ist übrigens auch die beste Zeit für Bernsteinsammler, etwa an der Kurischen Nehrung in Litauen oder auch auf Rügen. Dafür braucht es keinen Detektor, nur ein geübtes Auge, genau wie für Seesterne oder Muschelschalen. Nette Mitbringsel für zu Hause und allemal persönlicher als das, was man im Souvenirshop erwirbt. Den echten Schatzsucher aber treibt natürlich die Entdeckung von dem, was unter der Oberfläche liegt. Der Kick liegt in der Überraschung: nie zu wissen, was dort, wo offensichtlich erst mal nichts ist, womöglich doch im Verborgenen wartet. Obwohl Sondengänger sich gern spezialisieren, also gezielt etwa nach Mitaria oder auch Meteoritenresten suchen. So wurde zum Beispiel auch der berühmte Neuschwanstein-Meteorit bei Füssen in Bayern 2002 durch Hobbyforscher geortet.

Das Fundbüro im Sand

Weder seltenen Bernstein noch wertvolle Orden oder kosmische Erze hat George je gefunden. Aber neben den vielen Cents immerhin rund 400 Silber- und hundert Goldringe. Auch die waren nicht gerade antik, einige aber doch sehr schön und gut erhalten: Die besten Stücke trägt jetzt seine Frau.

Die Münzen stets gleich auszugeben war übrigens schlau von Sondengänger George, denn seit dem 1. Januar gilt auch auf Zypern der Euro, und die alten zypriotischen Geldstücke verlieren ihre Gültigkeit. Bis aber das Meer auch Euros an den Strand der Insel spült, braucht es mindestens eine Urlaubersaison. Denn nur das, was einer irgendwann verliert, kann ein anderer später finden.

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