Es ist noch sehr früh, als das Feuer an jenem Freitagmorgen im MGM Grand Hotel ausbricht. Ein Fliesenleger will um kurz nach 7 Uhr im hauseigenen Restaurant The Deli im Erdgeschoss seiner Arbeit nachgehen und bemerkt ein flackerndes Licht. Als er das Restaurant betritt, reichen die Flammen bereits von der Arbeitsplatte bis zur Decke. Er greift noch zum Feuerlöscher, doch die Flammen und der dicke schwarze Rauch breiten sich zu schnell aus.
Der 26-stöckige Hotel- und Casinokomplex am berühmten Strip in Las Vegas wurde erst sieben Jahre zuvor eröffnet. Mit Baukosten von mehr als 106 Millionen Dollar gilt er als größtes Hotel der Welt. Es gibt 2076 Zimmer, 780 weitere befinden sich zu der Zeit noch im Bau. Allein der Casinobereich ist größer als ein Fußballfeld. An jenem Morgen befinden sich mindestens 5000 Gäste, Mitarbeiter und andere Personen im Gebäude. Viele der Hotelgäste liegen noch in ihren Betten, als das Feuer im Erdgeschoss ausbricht.
Helikopter retten Gäste aus brennendem MGM Grand Hotel
Als die ersten Feuerwehrleute eintreffen, rollt bereits im Casino eine Feuerwalze auf sie zu. Große Luftmengen, die durch das angrenzende Café und die Spielhalle strömen, füttern die Flammen mit immer mehr Frischluft. "Es kam zu einer Backdraft-Situation", erzählt Mike Patterson, leitender Brandermittler der Feuerwehr von Clark County, später. Dabei wird durch brennbare Gase und Dämpfe und die Zufuhr von Sauerstoff eine Rauchgasexplosion ausgelöst, die sich zu einem Feuerball entwickelt. Die Möbel im Casino sind leicht brennbar. Schaumstoffpolster, Vorhänge, Tapeten, verspiegelte Kunststoffdecken, Zierleisten, dekorative Holzelemente – alles wird rasend schnell von den Flammen aufgefressen. Die enorme Hitze lässt die Spielautomaten schmelzen wie Butter in der Sonne und es entwickeln sich giftige Dämpfe. Auf der großen Fläche des Casinos können sich Flammen, Hitze, Rauch und Gase ungehindert ausbreiten. Vor allem der ätzende Qualm verteilt sich über die Klimaanlage, Rohre, Aufzugsschächte und Treppenhäuser bis in die oberen Stockwerke.
Während die Rauchwolke schon in ganz Las Vegas zu sehen ist, bekommen die Hotelgäste in den oberen Etagen von dem Brand nichts mit. "Es gab keinen Feueralarm, keine Sprinkleranlage, niemand klopfte an unsere Zimmertür, um uns zu warnen", erinnert sich eine Überlebende. Auch wenn das Feuer nicht auf die zweite Etage übergreift und bereits gegen 8.30 Uhr gelöscht werden kann, bahnt sich der stickige Qualm weiter ungehindert seinen Weg quer durch das ganze Hotel – und versperrt vielen Bewohnern den Weg aus ihren Zimmern. Mit nassen Handtüchern bedecken sie die Schlitze der Klimaanlagen und die Türspalten. In Panik schlagen sie die Fenster ein, um frische Luft zu bekommen. Diejenigen, die einen Balkon haben, flüchten sich ins Freie und hoffen auf Hilfe. Einige schaffen es aufs Dach, von wo aus sie mit Hubschraubern gerettet werden.
Komiker Otto Waalkes: "Der Gang war voller Rauch"
Im 26. Stockwerk sitzt auch Otto Waalkes. Wie der Komiker in seiner Biografie "Kleinhirn an alle" beschreibt, wird er durch Lärm im Flur geweckt. Als er aus dem Zimmer tritt, ist alles voller Qualm. "Der Gang war voller Rauch, Menschen in Schlafanzügen lagen keuchend auf dem Teppich, andere rannten in Richtung Notausgang. Eh ich den erreicht hatte, wurde klar, dass die massive Tür verschlossen war", schreibt er. Nur weil der verschlossene Notausgang von außen von Rettungskräften mit mehreren Axthieben eingeschlagen wird, kann er sich über eine Wendeltreppe nach unten retten. Er habe eigentlich direkt lossprinten wollen, doch der Feuerwehrmann habe ihn gepackt und gebrüllt: "Keine Panik".
Auch anderswo spielen sich dramatische Szenen ab. "Als wir an der Leiter ankamen, kippte diese und brach zusammen", erzählt eine Frau. Ein Mann habe dann einen Herzinfarkt erlitten. Zusammen mit dem Feuerwehrmann und vier weiteren Gästen sei man auf das Dach geflüchtet und habe dort auf den Helikopter gewartet. Auch die Bauarbeiter vor Ort retten Hotelgäste mit ihren Hebebühnen. Einige müssen noch an Ort und Stelle wiederbelebt werden. Die umliegenden Krankenhäuser sind schnell überfüllt. Es dauert fast vier Stunden, bis das Gebäude vollständig evakuiert ist. Rettungskräfte finden unzählige Tote in ihren Zimmern, auf den Fluren, in Aufzügen oder in Treppenhäusern, die meisten Opfer einer Rauchgasvergiftung.
Insgesamt kommen bei dem verheerenden Brand 85 Menschen ums Leben. 679 weitere werden verletzt. Den überwiegenden Teil der Opfer finden die Rettungskräfte zwischen dem 20. und 25. Stock.
Opfer erhalten Schadenersatz in Millionenhöhe
Als Ursache für das Feuer wird später ein Kurzschluss ausgemacht, der von einer an der Wand montierten Steckdose verursacht wurde. Aufgrund fehlerhafter Rauchklappen im Lüftungskanalnetz zirkulierten die giftigen Gase in der gesamten Klimaanlage des Hotels und beschleunigten so die Ausbreitung des Rauches. "Hätte es eine Sprinkleranlage in dem Restaurant gegeben, hätten wir nur einen Wasserschaden gehabt", so der leitende Brandermittler. Doch ein altes Brandschutzgesetz von 1970 sah nicht für alle Bereiche des Hotels Sprinkler und Warneinrichtungen vor. Auch Rauchmelder gab es nicht. Zwar wurde das Gesetz 1978 geändert, doch die Hotelbesitzer waren nicht dazu verpflichtet, ihre Einrichtung auf den neuesten Stand zu bringen.
Drei Jahre nach der Katastrophe erhalten mehr als 1300 Betroffene 140,5 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen. Es ist die bislang größte Schadenersatzleistung in der Geschichte der Vereinigten Staaten. 75 Millionen Dollar zahlt das Hotel, 10,5 Millionen das Unternehmen, das Heiz- und Klimaanlagen in dem Gebäude installiert hatte. Die restlichen rund 55 Millionen Dollar verteilen sich auf 40 Firmen. So wurde auch der Hersteller der in dem Hotel verwendeten Plastikverkleidungen verklagt, da diese bei dem Feuer tödliche Giftstoffe entwickelt hatten.
Das MGM Grand wird nach dem Brand neu aufgebaut und feiert nur acht Monate später Wiedereröffnung – unter Berücksichtigung sämtlicher neuer Brandschutzregelungen, die von der Clark County Behörde erlassen wurden. Bis vor Kurzem war das Hotel unter dem Namen Bally’s Las Vegas bekannt, im Dezember 2022 wurde es umbenannt in Horseshoe Las Vegas. Seit 1993 gibt es aber auch wieder ein Hotel mit dem Namen MGM Grand am Strip. Mit 5.044 Zimmern gilt es als drittgrößtes Hotel der Welt.
Sehen Sie oben im Video: Bei Waldbränden nordwestlich von Los Angeles haben viele Menschen ihr Zuhause verloren. Trockenheit und Wind treiben die Flammen voran, nicht alle Brände sind unter Kontrolle.