Im Tower Fluglotsen arbeiten im Nervenzentrum eines Flughafens – ihre Aufgaben

Von Andreas Fecker
Kontrollturm des Flughafen München
Kontrollturm des Flughafen München
© Andreas Haas / Imago Images
Hoch oben im Kontrollturm ist ihr Arbeitsplatz: Fluglosten koordinieren mehr als nur den Verkehr. Unser Autor blickt hinter den Kulissen eines Airports und überrascht mit erstaunlichen Informationen.

Sowie ein Pilot die Triebwerke seiner Maschine anlässt, begibt er sich in die Hände der Flugsicherung; und zwar so lange, bis er nach der Landung die Motoren wieder abstellt.

Der Verkehr "auf der Platte", oder dem Vorfeld, zwischen den Abstellflächen, den Gebäuden und den Gates wird auf großen Flughäfen von einer Vorfeldkontrolle geleitet. Diese kann räumlich, organisatorisch und betrieblich von der Flugsicherung getrennt sein und untersteht dann im Allgemeinen der Flughafenverwaltung.

Auf dem Vorfeld ist der Platz beengt, Hunderte von Service-Fahrzeugen flitzen zwischen den Flugzeugen herum, das kann keine Aufgabe für die Flugsicherung sein, die ja den Überblick über Roll- und Flugbewegungen des gesamten Airports haben muss.

Anlass- und Rollfreigaben übernimmt Ground Control. Besonders wenn in Frankfurt mit 25 Left, 25 Center und 25 Right sowie der 18 gearbeitet wird, werden die Rollprozesse immer anspruchsvoller.

Bei der Arbeit im Tower kommt es nun darauf an, die Flugzeuge, egal ob groß oder klein, möglichst zügig und auf möglichst direktem Weg in eine wirtschaftliche Startreihenfolge zu bringen, ohne sie allzu oft anzuhalten. Denn jeder Bremsvorgang bedingt ein erneutes Anrollen, und jedes Anrollen aus dem Stand kostet unnötig Sprit. Das Ausweichen über paralle Rollwege mit rechtwinkligen Kurven ist nicht erwünscht. Auch wenn es von außen erhaben aussieht, wie ein voll betankter Jumbo scheinbar mühelos um die Ecke rollt, das Walken der 18 Reifen schlägt sich auf ihre Lebensdauer viel dramatischer nieder, als der Kontakt mit der Landebahn beim Aufsetzen mit 260 Stundenkilometern.

Controller unter Entscheidungsdruck

Die Reihenfolge der Starts wird durch die von der Brüsseler Flusskontrolle zugewiesenen Zeitfenster, durch die Abflugrichtung, die Abflugstrecke, die Geschwindigkeiten, die Wirbelschleppen bei Großraumflugzeugen und die zugewiesene Ersthöhe bestimmt. Da aber gleichzeitig auch noch Landungen stattfinden, muss der Tower auch hier in Absprache mit der Anflugkontrolle Lücken und Fenster schaffen, die ein ausgewogenes Gleichgewicht an Starts und Landungen ermöglichen.

Weiß man nun, dass besonders bei den knapp kalkulierenden Billigfliegern eine einzige Warteschleife den Ausschlag geben kann, ob der Flug Gewinn oder Verlust einbringt, kann man sich ausmalen, welchem Entscheidungsdruck die Controller ausgesetzt sind. Denn die Airlines sind nicht gewillt, Verzögerungen so einfach hinzunehmen. Das Geschäft ist hart, entsprechend gering ist die Rücksichtnahme auf flugsicherungsbedingte Sachzwänge. Gut nur, dass die Fluglotsen noch immer eine hoheitliche Aufgabe wahrnehmen und nicht bei den Airlines angestellt sind.

Aber mit Starts, Landungen und Rollfreigaben ist der Tower noch lange nicht ausgelastet. Da gibt es Durchflüge und Überflüge von Kleinflugzeugen oder Hubschraubern, die Pipelines, Hochspannungsleitungen oder Autobahnen kontrollieren. Besonders auf den Regionalflughäfen stellen diese ein beträchtliches Maß an Aufkommen dar.

Aufmerksam werden auch die freien Flächen zwischen den Bahnen beobachtet. Denn auf dem eingezäunten, mitunter bewaldeten Areal leben Rehe, Hasen und Kleintiere, die vor ein landendes Flugzeug geraten könnten. Im besten Fall sind sie Beute für Greifvögel, die wiederum für den Flugbetrieb eine ernsthafte Gefahr darstellen.

Keine Hektik bei einer Luftnotlage

Flugfeldlöschfahrzeuge
Ein Flugfeldlöschfahrzeug vom Typ Ziegler Z8 in der Feuerwache 3 des Flughafens Frankfurt am Main
© Till Bartels

Alles ist anders, wenn eine Luftnotlage dazwischenkommt. Das wirft alle Planungen über den Haufen. Zwar bricht dann nicht die Hektik auf dem Tower aus, aber der Ton ist schon merklich gespannter. Man ist mit der Feuerwehr in Kontakt und informiert sie über die Maßnahmen, man unterbricht Starts, hält Landungen fern, bis die Lage geklärt ist. In 99 von 100 Fällen verläuft alles ohne weitere Komplikationen. Aber wenn beispielsweise bei der Landung ein Fahrwerk einknickt, dann sind die Folgen für den geregelten Flugbetrieb schon ungleich größer. Dann werden andere Flüge womöglich umgeleitet mit allen Konsequenzen für die Passagiere und ihre Anschlussflüge.

Dies sind dann die Tage, an denen auch dem letzten Neider klar wird, warum Fluglotsen gut bezahlt werden. Denn oft zieht ein scheinbar harmloser Zwischenfall eine ganze Reihe von eskalierenden Ereignissen nach sich. Dann werden die Männer und Frauen im Tower mit Situationen konfrontiert, die sich davor niemand ausdenken konnte.

Aus: "101 Dinge, die man über Flughäfen wissen muss" von Andreas Fecker. Erschienen bei Geramond, 192 Seiten, Preis: 16,99 Euro.

Die Konsequenzen einer verweigerten Landegenehmigung auf einem zivilen Airport wiegen schwer. Wenn eine einzige Zubringermaschine mit 200 Passagieren aufgrund hohen Verkehrsaufkommens, schlechten Wetters oder eines Zwischenfalls auf der Piste statt in Frankfurt in Stuttgart landen muss, dann bedeutet das womöglich 200 Bahntickets nach Frankfurt, verpasste Anschlüsse nach Amerika oder Asien, teure Übernachtungen in Airport Hotels und ganz sicher 200 wütende Passagiere und enttäuschte Abholer am Zielflughafen. In der Ferienzeit müssen die Reisenden auf andere, bereits volle Maschinen verteilt werden, die Schockwelle breitet sich aus, als hätte man einen Stein in einen stillen Teich geworfen. Genau dies macht den Druck und die Verantwortung aus: Tag für Tag in einem fragilen Gleichgewicht zu arbeiten, ohne die Sicherheit zu kompromittieren, haarscharf entlang einer bis auf die Sekunde ausgereizten Kapazitätsgrenze des Flughafens zu jonglieren.

1400 Flugbewegungen täglich müssen die Lotsen auf dem Frankfurter Tower abarbeiten, in Stoßzeiten kommen da 90 Starts und Landungen pro Stunde zusammen.

Aus: "101 Dinge, die man über Flughäfen wissen muss" von Andreas Fecker. Erschienen bei Geramond, 192 Seiten, Preis: 16,99 Euro.

*Dieser Artikel enthält sogenannte Affiliate-Links zu Produkten in Online-Shops. Klickt ein Nutzer darauf und kauft etwas, erhält der Verlag eine Provision vom Händler, nicht vom Hersteller. Wo und wann Sie ein Produkt kaufen, bleibt natürlich Ihnen überlassen.

PRODUKTE & TIPPS