Der Niederländer Koos Hendriks hatte einen guten Riecher, als er Mitte der neunziger Jahre bei Den Haag, zehn Kilomer hinter den Dünen der Nordsee, die erste überdachte Skipiste der Welt eröffnete. Mit echtem Schnee. Hausgemacht.
Zusammen mit Privatinvestoren steckte der Ex-Sportartikelhändler fast zehn Millionen Euro in die Riesenanlage. Nach einigen Kinderkrankheiten in der Anlaufzeit bietet SnowWorld nun die perfekte Kopie einer Alpenabfahrt. Allerdings haben es die Skiläufer auf diesem Hang leichter: Statt eisigem Fahrtwind weht ihnen ein laues Winterlüftchen ins Gesicht. Weder schlechte Sicht noch unangenehme Schneeschauer können den Spaß verderben. Man gleitet unter milden Begingungen die Pisten herrunter - sauber und gefahrlos. Kleinkinder und andere Anfänger können sich auf einer "Übungswiese" austoben.
Tirol ist überall
Man sollte es nicht meinen, aber viele Niederländer sind begeisterte Skifahrer. Doch früher war der Sport nicht so leicht zu lernen. Dazu musste man hunderte Kilometer weit reisen, ein Chalet mieten und kräftig für Essen und Trinken bezahlen. So blieb Skifahren eher ein Spaß für die Elite. Klevere Geschäftsleute erkannten die Marktlücke. Sie bauten im grünen flachen Polderland Übungszentren, wo man auf rollenden Plastikbürsten oder Kunstgrasmatten die Prinzipien des Wedels üben konnte. So brauchte man nicht in den Bergen kostspielige Tage für die ersten Trainingsstunden zu vergeuden.
Diese neue Technik demokratisierte den Skisport. Hunderttausende Menschen ließen sich auf so einer Kunstpiste ausbilden. Erst dann fuhren sie in die Alpen. Koos Hendriks sah die Zahl der Flachland-Tiroler rapide heranwachsen. Das brachte ihn auf die Idee, das typische Wintersportambiente in einer Riesenhalle zu kopieren - mit allem drum und dran. Von Anfang an war das Konzept wirtschaftlich und sportlich ein Volltreffer. "SnowWorld" nannte er es. Viele feste Kunden feiern dort jetzt ihren Winterurlaub, nicht an einem Stück, sondern verteilt übers ganze Jahr. So sparen sie sich die Hin- und Herfahrerei auf deutschen Autobahnen. Es werden immer mehr, die den klassischen Wintersportgebieten fernbleiben. Die sind nicht nur teuer, sondern auch nicht länger schneesicher. Das schreckt viele Niederländer ab. Sie amüsieren sich lieber im Tiroler Ambiente der Discos, Bierstüberln, Restaurants, Bars, Sonnenbanken und Saunas von SnowWorld und sechs weiteren Skiparks, die es inzwischen gibt. Tirol ist überall.
Höher, länger, breiter
SnowWorld ist in zehn Jahren zu einem mächtigen Konzern herangewachsen. Der Initiator baute in Landgraaf an der deutschen Grenze bei Aachen eine zweite Halle, die den Komplex bei Den Haag übertrifft - mit zwei Pisten von 520 Metern Länge. Hendriks schielt damit aufs deutsche Publikum aus Nordrhein-Westfalen, wo die Berge kaum höher sind als in den Niederlanden. Die Anlage gilt als größte der Welt, obwohl das vom Konkurrenten Alpincenter im deutschen Bottrop bestritten wird. Beide haben recht: die Bottroper Bahn hat die längste Abfahrt, 600 Meter. "Und SnowWorld hat mit zwei Pisten und 35.000 Quadratmetern die größte Oberfläche", sagt SnowWorld-Firmensprecher Dirk Vierling. Er ist stolz darauf, dass er den offiziellen Snowboard-Slalom und das Alpinrennen in seinem Skibetrieb organisieren durfte. Das bringt neue Kunden aus den echten Bergen. Slalomprofis wählen im Hochsommer die schneesichere künstliche Permafrost-Berglandschaft als Trainingsort, während daheim die Gletscher schmelzen.
Auch Olympiasieger Rainer Schönfelder übte schon "indoor" in den Niederlanden. "Für ihn brauchten wir den Schnee nur etwas mehr zu vereisen". Im Sog des goldenen Österreichers reisten im Laufe der Zeit über 100 internationale Skiteams an. Und der Wüstenstaat Dubai will nach dem Muster von Hendriks' Flachlandski die größte Hallenpiste der Welt bauen. Vierling: "So wird Ski wie Käse ein niederländischer Exportschlager".