Matthias Kraus, woher rührt Ihre Footballbegeisterung?
Ich habe früher Eishockey geguckt. Eines Tages lief ein Footballspiel im Fernsehen, ich blieb hängen. Das war eine ganz neue Sportart, völlig wild sah das aus, so als würden die sich eins auf die Nase geben. Zufälligerweise fiel das in die Zeit, als in Schweinfurt, wo ich wohne und wo viele amerikanische Soldaten stationiert waren, ein Footballverein gegründet wurde. Die GIs hoben die Ball Bearings aus der Taufe, eine Hommage an die Kugellagerindustrie, die wir hier haben. Die haben das richtig groß aufgezogen, mit Stadion und Showprogramm. Und so ist das dann immer weiter gewachsen.
Als ich das erste Mal im Lambeau Field war, war es um mich geschehen. Als würde man ein Streichholz in einen Benzinkanister werfen!
Nun sind Sie aber Anhänger der Green Bay Packers, viele kennen Sie als The German Packer. Wie wurde ausgerechnet das Team aus Wisconsin zur großen Liebe?
Die Tradition! Die Historie! Ich hatte mich mit der Liga beschäftigt und erfahren, dass die Packers das einzige Team ohne Owner sind. Dass der Verein den Fans gehört. Und dass diese Fans besonders verrückt sein sollen. Die Packers waren das kleine, gallische Dorf, ein Hort der Widerspenstigen, so wirkte es jedenfalls auf mich. Und als ich dann das erste Mal im Lambeau Field bei einem Heimspiel der Packers war, war es endgültig um mich geschehen. Als würde man ein Streichholz in einen Benzinkanister werfen! Das Spiel, in das ich zufällig reingeschaltet hatte, war übrigens auch mit den Packers gewesen. Allerdings bekamen sie da auf die Mütze. Ein Jahr später kam dann Brett Favre und die goldenen Jahre begannen, die sich auch fortsetzten, als Aaron Rodgers als Quarterback übernahm.
Mit diesem Aaron Rodgers, der vielen als einer der besten Quarterbacks aller Zeiten gilt, sind Sie mehrfach zusammengetroffen, wenn ich richtig informiert bin.
Ich habe ihn ein Dutzend Mal getroffen und jedes Treffen mit einem gemeinsamen Foto festgehalten. Aber damit nicht genug: Ich habe immer das Fotos vom vorherigen Treffen mitgebracht, auf dem wir zusammen posieren. So ist mit der Zeit eine kleine Foto-Ception-Reihe entstanden, ein großer Spaß! Und Aaron hat da gerne mitgemacht. Seit er zu den New York Jets gewechselt ist, sehe ich leider keine Chance mehr, wie ich das fortführen kann, in dieser riesigen Stadt. Bei den Packers war alles kleiner, da kannte ich mich aus und wusste, wen ich fragen muss. Aber in New York? Hilfe!

Aber der Superstar würde sich an Sie erinnern, wenn Sie ihm begegnen?
In einem Interview, ehe Rodgers mit seinem Team für ein London Game aufgebrochen ist, wurde er mal gefragt, was er denn von der Fanlandschaft in Europa wisse – und hat, nach einigem Überlegen, gesagt, er gebe da ja diesen einen verrückten Deutschen, der immer mit seiner Fahne am Start sei. Das war für mich ein Ritterschlag. Wenn sich so ein Star an dich erinnert, hast du was richtig gemacht.
Wir treffen hier in Las Vegas für Super Bowl zusammen, Sie haben Karten gewonnen für das größte aller Spiele. Wie oft machen Sie sonst rüber?
2023 war ich für sechs Spiele der Regular Season drüben. Meine Frau hatte überlegt, was wir denn im Herbst für einen Urlaub machen könnten, und das iPhone schlug ihr Las Vegas vor. Sie also zu mir: "Ach, nach Vegas würde ich auch nochmal gerne." Ich zu ihr: "Ich glaube, die Packers spielen in Vegas dieses Jahr." Es kam dann so, dass ich im September rübergeflogen bin für zwei Spiele binnen zehn Tagen, dann zurück nach Deutschland für vier Tage und um meine Frau zu packen, mit ihr wieder in die USA, eine Woche Vegas, zurück nach Hause für zehn Tage und dann nochmal in die USA, für zwei weitere Heimspiele.
Das ist doch Irrsinn.
Ja, das ist verrückt. Ich habe, was Football betrifft, echt einen an der Waffel. Und ich habe das große Glück, mir sowas auch leisten zu können. Das ist meine Leidenschaft. Ich mache nichts anderes, und ich will nichts anderes. American Football lebt auch von Idioten wie mir.
Was fasziniert Sie ganz konkret an dem Sport?
Mehr als alles andere der Teamgeist, den es im American Football gibt. Die Bereitschaft, sich einem Ziel unterzuordnen. Die Verbundenheit der Spieler untereinander, die Disziplin, der unbedingte Wille, an einem Strang zu ziehen. Und wenn einer verletzt ist: next man up, auch das. Im Fußball siehst du elf Einzelkönner auf dem Platz, und wenn man Glück hat, entwickelt sich sowas wie Teamgeist. Im Football ist es andersherum. Ohne Teamgeist geht nichts, der kommt zuerst.
Also keinerlei Ernüchterung bei Ihnen als Fan, der den Sport schon seit über 30 Jahren verfolgt? Keine Routine, keine schleichende Entfremdung womöglich gar?
Sie müssen bedenken, dass es lange gedauert hat, richtig in den Sport hineinzufinden. Als Deutscher wurde einem das nicht leicht gemacht. Es gab zu Beginn kein einziges Pay-TV bei uns, das die Spiele gezeigt hätte. Aber ich habe nebenbei als DJ aufgelegt und kam mit Amerikanern in Kontakt, die ich vollgelabert habe. Und die brachten mir dann Bücher über Football mit. Später lief es mal über Sky England, über Testpakete, die ich vorübergehend abonnieren konnte. Dann Teleclub, dann Premiere. Für mich ist es heute umso mehr ein Genuss, dass ich Spiel meiner Packers streamen kann, eben weil ich die alten Zeiten noch kenne, als das nicht ging.
Diese Gemeinschaft, dass man zusammen dasselbe liebt, treibt mich an.
Wo schauen Sie die Spiele, wenn Sie nicht gerade in die USA jetten?
Ich habe eine Footballarena, ich nenne sie meine Man Cave. Dafür habe ich eine kleine Scheune bei uns zu Hause ausgebaut und eingerichtet. Da sitzen wir jeden Sonntag, und dann kommen sie alle: der Seahawks-Fan, der Bears-Fan, der Vikings-Fan. Viele Freunde. Diese Gemeinschaft, dass man zusammen dasselbe liebt, treibt mich an.

Es hilft mutmaßlich, wenn sich die Frau auch für Football begeistern kann.
Meine Frau lässt mich machen. Die trägt die Footballleidenschaft mit, ist aber selbst kein richtiger Footballfan. Ihr fehlt das Sitzfleisch, um vier Stunden lang ein Game zu schauen. Aber natürlich verbindet uns Football trotzdem. Sie weiß, dass es ohne für mich nicht geht. Ich habe ihr 2019 im Lambeau Field einen Heiratsantrag gemacht, unten auf dem Rasen.
Ihr Super-Bowl-Tipp?
Ich würde mir wünschen, dass es die 49ers machen. Ich befürchte aber, dass sich am Ende doch wieder Patrick Mahomes durchsetzt – den ich leider nicht mag. Weil ich bei dem immer so einen Anflug von Arroganz wahrnehme, eine Überheblichkeit, die mir nicht gefällt.
Transparenzhinweis: Der stern ist Teil von RTL Deutschland, RTL überträgt den Super Bowl.