Die Tage des Schreckens beim Hamburger SV wachsen sich zum blanken Horror aus. Nichts geht mehr beim Gründungsmitglied der Bundesliga. Im Jahr 2013 will der stolze Verein eigentlich seine 50-jährige Nonstop-Erstklassigkeit feiern. Jedoch die Zweifel nagen. Trotz der Pleitenserie wiederholte Sportchef Frank Arnesen seinen Treueschwur für Trainer Michael Oenning, bei den Spielern sah das anders aus.
Das hochverdiente 0:1 gegen Borussia Mönchengladbach hat die schlechteste aller Startbilanzen des HSV auf sechs sieglose Saisonspiele ausgedehnt und damit den letzten Tabellenplatz zementiert. "Scheißtag", fluchte Linksaußen Marcell Jansen. Damit hatte er wohl recht, aber wiederum auch nicht. Das Unvermögen der Mannschaft auf dem Feld hält schon seit Wochen an. Dazu Arnesen: "In Holland sagen sie: Wenn du rasiert wirst, musst du stillhalten."
Was Arnesen vor der Partie über den Verbleib von Oenning verkündet hatte, war auch nach dem 0:1 durch Igor de Camargo - das achte HSV-Gegentor bei Standards - brandaktuell. "Ich stehe hundertprozentig hinter dem Trainer", versicherte der Däne und beschrieb wie zum Beweis das kommende Szenario: "Nächsten Donnerstag sitzen wir im Flugzeug nach Stuttgart und Michael Oenning ist dabei."
Westermann legt den Maßstab an
Oenning, so scheint es, ist aber ebenso ratlos wie die Spieler. Seine Bilanz als Cheftrainer beim HSV ist dürftig: erstes Spiel gewonnen, dann 13 Mal sieglos. Jetzt geht es nach Stuttgart, dann kommt Schalke. "Ich bin motiviert, die Mannschaft ist es auch", behauptete der 45-Jährige, dessen Mimik wenig Optimismus erkennen ließ.
Und von Kapitän Heiko Westermann kamen erste zaghafte und kritische Töne. "Ich denke", antwortete er auf die Frage nach der Rolle des Trainers, "dass jeder an Punkten gemessen wird. Wir haben sechs Spiele und einen Punkt."
Die neue Clubführung ist als Gegenmodell zum Personalverschleiß von Ex-Chef Bernd Hoffmann - neun Trainer in acht Jahren - angetreten. Da kann sie jetzt nicht tun, was sie vorher gegeißelt hat. Verständlich. Kontinuität statt heuern und feuern. Fortschritte, wie behauptet, sind auf dem Rasen aber nicht zu erkennen.
Bei Petric hängt es
Oennings Defensivtaktik gegen Gladbach mit dem etatmäßigen Staubsauger David Jarolim in der Offensive ging nicht auf. Der Angriff lahmte und auch wenn es keine offene Kritik war, der Unterton war unmissverständlich. "Ich bin mir vorgekommen wie ein Kronleuchter, der da vorne in der Luft hängt", beschrieb Mladen Petric seine Ein-Mann-Show im Sturm und meinte lapidar: "Der Trainer hat uns so aufgestellt, dann spielen wir so."
Was als Umbruch und obendrein als "größte Baustelle der Bundesliga" verkauft wird, trifft nicht den Kern. Natürlich wurde das Team radikal verjüngt, aber gegen Gladbach standen zunächst nur drei Neue (Mancienne, Rajkovic, Skjelbred) auf dem Rasen. Die gestandenen Profis sind konfus, ängstlich, verunsichert.
Das verstört und lässt die Fans qualvoll aufstöhnen. Dem HSV ist das Selbstwertgefühl abhandengekommen, es fehlt das Vertrauen in die eigene Kraft. Normalerweise müsste auf der Couch des HSV-Psychologen ein Gedränge wie beim Oktoberfest herrschen.