Doping-Schock beim TSV 1860 München: Ein Haarwuchsmittel kann die "Löwen" teuer zu stehen kommen und vielleicht sogar den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga kosten. "Für uns kommt's knüppeldick", sagte Präsident Karl Auer und reagierte mit Betroffenheit auf die Hiobsbotschaft. 1860-Profi Nemanja Vucicevic war im Derby am 4. November bei Wacker Burghausen gedopt. Burghausen legte Einspruch gegen das von den Münchnern mit 2:0 gewonnene Spiel ein. Dem Spitzenreiter der 2. Bundesliga droht die Aberkennung von drei Punkten, aber neben einer Sperre für den Dopingsünder aus Serbien sind auch eine Spielwiederholung und sogar ein Freispruch als Konsequenzen denkbar.
Das Dopingmittel Finasterid
Finasterid wird seit vielen Jahren in der Dosierung von 5 mg am Tag zur Therapie der gutartigen Vergrößerung der Prostata eingesetzt. Als Nebenwirkung wurde hierbei verstärktes Haarwachstum in einigen Fällen beobachtet. Mittlerweile ist der Wirkstoff Finasterid in der Dosierung 1 mg/Tag unter dem Handelsnamen Propecia zur Behandlung des anlagebedingten Haarausfalls des Mannes zugelassen.
Finasterid hemmmt die Umwandlung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron zu Dihydrotestosteron (DHT). DHT ist neben der erblichen Veranlagung hauptverantwortlich für den androgenetischen Haarausfall. Durch die Hemmung des Enzyms wird der Spiegel von DHT im Serum (Blut) um etwa 70 Prozent gesenkt. Finasterid wird auf der Dopingliste des DFB als "maskierende Substanz" geführt und kann eine mögliche Einnahme von anabolen Substanzen verschleiern.
Die Anwendung von Finasterid ist nur bei einem hormonbedingten Haarausfall vom männlichen Typ (androgenetische Alopezie) sinnvoll und darf nur bei Männern angewendet werden. Finasterid hemmt nicht nur das weitere Fortschreiten des Haarausfalls, es fördert auch das Wachstum neuer Haare. Nach etwa einem Jahr ist mit einer sichtbaren Wirkung zu rechnen. Allerdings ist eine Wirksamkeit bei der Behandlung der Geheimratsecken, dem Zurückweichen des Haaransatzes, nicht nachgewiesen.
"Alles ist möglich", sagte der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, Rainer Koch (Poing), der als Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes (DFB) den Fall seinem Vertreter Hans-Hermann Menzel (Langerwehe) überlassen wird. Zunächst aber wird der DFB-Kontrollausschuss die Ermittlungen aufnehmen und Anklage erheben. Ein langwieriger Prozess wie im Fall von Falk Schindler vom FC Emden ist nicht auszuschließen. Der im Spiel der Regionalliga Nord gegen Fortuna Düsseldorf des Dopings überführte Spieler wurde erst am vergangenen Freitag, zwei Monate nach der Partie, verurteilt.
Medikamente vom Hausarzt der Freundin
Schindler hatte ebenso wie Vucicevic das Haarwuchsmittel "Propecia" genommen, das die seit Januar 2005 verbotene Substanz Finasterid enthält. Der Emdener wurde für sechs Monate gesperrt, dem Club wurden die drei Punkte des 2:0-Sieges aberkannt. Vucicevic, der sich vom Hautarzt seiner Freundin das Präparat verschreiben ließ und ohne Rücksprache mit 1860-Mannschaftsarzt Willi Widenmayer die Tabletten (Monatspackung 50 Euro) einnahm, droht eine ähnlich lange Sperre und intern wohl eine saftige Geldstrafe. "Für mich ist das der GAU. Er hätte mich fragen müssen", sagte Widenmayer.
"Das war eine Riesendummheit von ihm, um Konsequenzen wird Nemanja nicht herumkommen", sagte Sportdirektor Roland Kneißl, der am vorigen Freitag vom DFB über den positiven Dopingtest informiert worden und am Sonntag nach dem 1:1 gegen Aue in die Öffentlichkeit gegangen war. Kneißl will dem DFB "klar machen, dass es sich um ein reines Versehen handelt". Er hofft auf eine "milde Strafe". Die zum 1. Oktober geänderte Rechts- und Verfahrensordnung des DFB, die bei Dopingvergehen nicht mehr automatisch einen Punktabzug nach sich zieht, lässt die Münchner hoffen.
"Dummheit des Spielers"
Verständnis zeigte Burghausens Manager Kurt Gaugler, der "im Interesse des Vereins" Einspruch einlegte: "Der TSV 1860 kann nichts dafür. Das ist allein die Dummheit eines Spielers." Vucicevic, der bereits im Spiel gegen Braunschweig (23. September) mit negativem Ergebnis getestet worden war, blieb am Sonntag der Allianz Arena auf Wunsch des Clubs fern und war nach Auskunft von Kneißl "am Boden zerstört. Er ist völlig perplex und versteht die Welt nicht mehr." Die Mannschaft wurde erst nach dem Spiel in der Kabine unterrichtet. "Das ist ein Schock für alle", sagte Remo Meyer.