Lügen, dubiose Machenschaften und ein fauler Kompromiss: Der Dopingfall Alberto Contador zieht immer weitere Kreise und bringt den Radsport-Weltverband schwer unter Beschuss. Wie die spanische Zeitung El Pais berichtet, soll die UCI mit dem dreimaligen Toursieger bereits Ende August einen faulen Kompromiss ausgehandelt haben. Demnach habe es bei einem Treffen in Puertollano kurz nach dem Ergebnis der positiven Dopingprobe eine Verständigung beider Seiten auf eine dreimonatige Sperre gegeben. Voraussetzung sei gewesen, dass Contador eine vorläufige Sperre akzeptiere.
Auch wenn die diskrete Lösung wegen undichter Stellen scheiterte und es inzwischen sogar Indizien geben soll, die auf Eigenblut-Doping des Spaniers hindeuten, scheint Contador relativ unbeschadet aus dem Fall herauszukommen. "Es wird keinen Fall Contador geben. In einigen Tagen legen wir die Angelegenheit zu den Akten", soll UCI-Präsident Pat McQuaid am Rande der WM im australischen Geelong zu Vertrauensleuten gesagt und einen Zeitraum von "acht bis zehn Tagen" genannt haben.
Bei Contador wird der UCI-Präsident wortkarg
Angesprochen auf die gewaltigen Vorwürfe, wird der sonst so gesprächige Ire wortkarg. "Ich werde mich zu Contador nicht mehr äußern", sagte McQuaid und verwies auf das laufende Verfahren. Trifft die Meldung vom Kuhhandel aber zu, hätte der Skandal eine neue Qualität erreicht.
Zumal die UCI in den letzten Tagen ohnehin ein trauriges Bild abgegeben hatte. Erst wurde der positive Dopingfall über einen Monat geheimgehalten, obwohl die B-Probe ausgewertet war. Dann gab es eine Mitteilung, in der das Kölner Wada-Labor wegen seines ausgefeilten Testverfahrens fast schon getadelt wurde. Und schließlich plaudert Contador auf einer Pressekonferenz munter aus, dass auch die medizinische Kommission der UCI eine Nahrungsmittelverunreinigung für wahrscheinlich halte.
Drei-Monats-Sperre würde Contador nicht schaden
Sollte es nun tatsächlich nur zu einer dreimonatigen Sperre kommen, würde Contador dies in keiner Weise treffen, da diese Ende November ausliefe und er seine Saison längst beendet hat. Zugleich wären mit einem entsprechenden Urteil auch die juristischen Hindernisse aus dem Weg geräumt, da Contador in A- und B-Probe positiv gestestet worden war und somit ein Freispruch für die UCI schwer zu vermitteln ist.
Der kleine Madrilene war am zweiten Ruhetag der Tour de France positiv auf Clenbuterol getestet worden. Contador hatte dies auf kontaminiertes Fleisch zurückgeführt und auf die geringe Konzentration des Kälbermastmittels in seiner Urinprobe verwiesen.
Verdacht auf Eigenblut-Doping
Doch hinter dem scheinbar harmlosen Dopingfall könnte viel mehr stecken. Erst am Freitag hatte die französische Sporttageszeitung L'Equipe davon berichtet, dass die Wissenschaftler in Köln bei der Analyse von Contadors Probe auch Spuren von kunststoffähnlichen Resten gefunden haben, wie sie nach Bluttransfusionen häufig festzustellen sind.
Fraglich ist, wie die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) sich bei einem freispruchähnlichen Urteil verhält. Die geringe Menge an Clenbuterol ist kein Grund für einen laschen Umgang mit dem Fall. "Es heißt nicht, dass nicht betrogen wurde", sagte Wada-Generaldirektor David Howman.
ARD hatte Wind von dem Fall bekommen
Ursprünglich sei es laut "El Pais" geplant gewesen, den Fall diskret zu lösen. Bereits am 24. August hatte Contador Kenntnis von seiner positiven A- und B-Probe erhalten. Eine Mitteilung an die Öffentlichkeit, wie es sonst üblich ist, war aber ausgeblieben. Erst als die ARD nach eigenen Recherchen Wind von der Angelegenheit bekommen hatte, wurde der Fall in einer Nacht- und Nebelaktion publik gemacht.
Damit gibt es wieder einmal Vertuschungs-Vorwürfe gegen die UCI. Erst im Mai hatte Floyd Landis behauptet, dass Lance Armstrong einst ein "finanzielles Abkommen" mit dem damaligen UCI-Chef Hein Verbruggen getroffen habe, um einen positiven Test verschwinden zu lassen. Daraufhin musste UCI einräumen, zwei Spenden von 100.000 und 25.000 Dollar erhalten zu haben.
Spanische Behörden ermitteln
In Spanien sollen sich inzwischen auch schon die Behörden für den Fall interessieren und Ermittlungen aufgenommen haben. Diese wollen aber lediglich den Ursprung des Fleisches herausfinden, das Contador ins Verderben stürzte.
Unterdessen richtete McQuaid nach den vielen spanischen Dopingfällen Kritik an die Iberer: "Die Regierung muss erkennen, dass es ein Doping-Problem in Spanien gibt. Vielleicht 50 Prozent unserer Dopingfälle, exakt weiß ich es nicht, kommen aus Spanien. Und bis jetzt scheint es so, dass der Kampf gegen Doping dort nicht ernst genommen wird."
Am Samstag hatte die UCI bekanntgegeben, dass die dreimalige Mountainbike-Weltmeisterin Margarita Fullana aus Spanien positiv auf Epo getestet wurde. Es war nach Contador, dem Vuelta-Zweiten Ezequiel Mosquera und dessen Teamkollegen David Garcia der vierte spanische Dopingfall, der am Rande der Straßen-WM bekannt wurde.