Die anwesende Journalisten-Schar staunte nicht schlecht, als zur Pressekonferenz im Hamburger Side-Hotel plötzlich DFB-Boss Gerhard Mayer-Vorfelder den Platz neben Jürgen Klinsmann auf dem Podium einnahm. Vor dem Länderspiel gegen China war für die Presse-Runde eigentlich Oliver Kahn als zweiter "Offizieller" angekündigt worden. Der Gegenwind, der dem Trainer momentan entgegen bläst, war dem Präsidenten offenbar zu stürmisch geworden. "MV" sah sich einen Tag vor dem Test gegen die Volksrepublik China dazu berufen, sich schützend vor den Coach der deutschen Nationalmannschaft zu stellen. Und das tat er dann auch - in eindrucksvoller Art und Weise.
Nach der peinlichen 1:2-Schlappe gegen die Türkei sei es aus seiner Sicht völlig unangebracht, das "System Klinsmann" nun in Frage zu stellen. "Natürlich ist der Trainer für die Niederlage in der Türkei mit verantwortlich, aber das ist er genauso für die tollen Erfolge des Teams während des Confederations Cup", sagte der 72-Jährige. Die Kritik einiger Bundesliga-Trainer an der angeblich mangelnden Gesprächsbereitschaft Klinsmanns konterte der DFB-Präsident so: "Ich habe in meiner Zeit beim Verband die verschiedensten Trainer erlebt, aber einen so derart gesprächsoffenen Coach wie Jürgen Klinsmann gab es noch nie."
Kahn stärkt Klinsmann den Rücken
Er selbst habe den amtierenden Nationalcoach bis jetzt noch immer erreichen können, zur Not auch an seinem Wohnort in Kalifornien, sagte Mayer-Vorfelder, der zum Ende seines Statements noch eine Bitte an die Liga formulierte: "Ich kann die Manager und Trainer nur darum bitten, nicht die Schlagzeile zu suchen, sondern das persönliche Gespräch." Auch Jürgen Klinsmann signalisierte seine Gesprächsbereitschaft, wies aber zugleich mit Nachdruck darauf hin, dass die Entscheidungsgewalt letztlich beim DFB-Trainerstab liege. "Wir entscheiden, was bei der Nationalelf passiert und welcher Spieler wann, wo und wie trainiert beziehungsweise spielt."
Wie schon am Vortag sein Assistent Joachim Löw, so nahm auch Jürgen Klinsmann seine Spieler auf dem Weg zur WM öffentlich in die Pflicht: "Wer müde Beine hat, muss den nötigen Biss entwickeln und über die Schmerzgrenze gehen. Unser Anspruch ist höher als der in der Bundesliga." Oliver Kahn, der später dann doch noch seinen Auftritt hatte, stärkte seinem Nationaltrainer den Rücken. Niemand müsse sich Sorgen machen, dass die Belastung zu groß sei, sagte der Kapitän des FC Bayern München. Von einem Mentalitätsproblem der Mannschaft wollte der Keeper nichts wissen. "Das Team war nach der 1:2-Niederlage in der Türkei am Boden und dann hat es sich hinterfragt. Das ist ein gutes Zeichen."
Metzelder vor Rückkehr in die Startelf
Für die Begegnung am Mittwochabend gegen die Volksrepublik China kündigte der Torwart eine "entscheidende Reaktion" der Mannschaft an. "Wir werden ein völlig anderes Gesicht zeigen." Er selber werde Verantwortung übernehmen und versuchen, dass Team mitzuführen. Im Moment müsse man den Talenten manche Fehler noch zugestehen, sagte Kahn. Doch sei er zuversichtlich, "dass wir diese Probleme bis zur WM in acht Monaten noch in den Griff bekommen".
Über die Rückkehr von Christoph Metzelder in den Kreis der Nationalmannschaft zeigte sich Kahn übrigens hoch erfreut: Er ist ein erfahrener Spieler, der dem Team Stabilität verleihen kann." Wie am Dienstag durchsickerte, hat Jürgen Klinsmann den 24-jährigen Abwehrspieler von Borussia Dortmund gegen China für die Startelf vorgesehen. Über weitere Umstellungen gegenüber der 1:2-Niederlage in der Türkei schwieg sich der Trainer aus.