Joachim Löw Die Stars sind die Auswechselspieler

Was hat Joachim Löw mit Berti Vogts zu tun? Und warum gibt es plötzlich zwei Joachim Löws? Die Pressekonferenz am Dienstag des DFB-Teams konnte nur eine dieser Fragen beantworten.

Etwas ist anders heute, und es ist nicht der Bundestrainer. Der zeigt sich, wie er seit Tagen, seit Wochen, seit Monaten vor die Medien tritt: Freundlich und verbindlich, durchaus nicht inhaltsfrei und doch ausweichend, wenn es allzu ernst wird. Joachim Löw ist der rhetorisch konstanteste Bundestrainer der deutschen Geschichte. Er wird nicht böse, er tickt nicht aus, er provoziert niemals mehr als zwei Lacher.

Längst werden die täglichen Pressekonferenzen ob der steigenden Bedeutung der Nationalmannschaft live übertragen, und vielleicht hat sich die Kommunikationsabteilung des DFB aus purer Lust an der Abwechslung deshalb etwas einfallen lassen.

Oben auf der Bühne sitzt der gewohnte Medien-Löw, an den Seiten aber findet auf einem knappen Dutzend Flachbildschirmen eine Art Gegenveranstaltung statt: In Endlosschleife wird eine Szene aus dem Spiel gegen Polen gezeigt, und der schwarzhaarige Mann im weißen Hemd, der da hochspringt, mit der Faust durch die Luft schlägt, seinem Brustkorb vor den des Torwarttrainers Andreas Köpke knallen lässt, viel zu aufgedreht, um noch eine Umarmung hinzubekommen, dieser Mann heißt ebenfalls Löw.

Vielleicht hat man sich beim DFB gedacht: Wir geben da jetzt ein bisschen Emotion rein. Einfach mal als Überraschung.

Löw, die Gefühlsfontäne

Während an den Bildschirmen Joachim, die Gefühlsfontäne, sprudelt und sprudelt und sprudelt, spricht auf dem Podium Joachim, der sportliche Leiter, wortreich über seine Spieler. Zuerst sagt er zum ungefähr 125. Mal, dass im Trainingslager "hart gearbeitet" worden sei. Dann aber redet er über die Verfassung der deutschen Mannschaft nach dem 2:0-Sieg gegen Polen. Und hier kommt (vielleicht sieht der vom Sofa in Korschenbroich oder Aserbaidschan aus selbst zu) Berti Vogts ins Spiel.

Vogts hatte in seiner Funktion als Bundestrainer vor zwölf Jahren den Satz "Der Star ist die Mannschaft" geprägt. Löw lobt nun nicht den zweifachen Torschützen Podolski, nicht den präsenten Kapitän Ballack, nicht den Kämpfer Frings, nicht den dann doch recht sicheren Lehmann. Er feiert die anderen.

"Arne Friedrich und Heiko Westermann sind in blendender Verfassung", sagt Löw und fügt noch ungefragt hinzu: "So stark habe ich den Arne selten gesehen." Auch Bastian Schweinsteiger bringe im Training eine "engagierte Leistung" und sei in einer "auffallenden Form".

Die Bedeutung der Auswechselspieler ist in der ersten Turnierwoche offenbar kaum zu unterschätzen. Sie schüren nämlich den Konkurrenzkampf, den man sich als eine Art Vorspiel denken muss, ohne das ein Sieg nicht denkbar wäre. Löw nennt in diesem Zusammenhang auch noch Thomas Hitzlsperger.

Zwei Tage vor der Vorrundenpartie gegen Kroatien verlässt Joachim Löw die Bühne nach 25 Minuten. Er hat Vogts' Credo eins weitergedreht: Die Mannschaft ist für ihn zwar "sehr intakt", aber gewiss nicht der Star. Die Stars, das sind die Auswechselspieler.

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