Euro-Countdown Wer holt den Pott?

Im Endspiel zwischen Griechenland und Portugal halten Ottos Hellenen zur Halbzeit verdient ein 0:0: Während die Gastgeber fest mit dem Titel rechnen, können "Rehakles" Schützlinge entspannt auftreten: Sie sind schon Sieger.

Das Land ist im Fußball-Rausch, die Spieler nur noch einen Schritt von der Unsterblichkeit entfernt, und der Gegner kommt wie gerufen: Ottos Griechen als Finalgegner passt so richtig ins portugiesische Drehbuch von der perfekten Fußball- Krönung. Gegen Griechenland erlitteten die portugiesischen Techniker im Eröffnungsspiel mit 1:2 die bisher einzige Niederlage. "Wir können die Rechnung begleichen", titelte "A Bola", die größte Sportzeitung des Landes.

"Glorreiche Zeiten"

Trainer Luis Felipe Scolari bereitete seine Spieler seit drei Tagen auf den größten Tag der portugiesischen Fußballgeschichte vor: "Dies sind glorreiche Zeiten für Portugal, ein Traum wird Wirklichkeit", versprach Mittelfeldspieler Maniche seinem Volk einen Sieg gegen die Hellenen. Ihm und seinen Teamkollegen winken im Erfolgsfall jeweils 200 000 Euro Titelprämie.

Stichwort: "Coupe Henri Delaunay"

Der "Coupe Henri Delaunay" ist die Trophäe, die am Sonntagabend nach dem Endspiel zwischen Griechenland und Portugal in Lissabon dem neuen Europameister übergeben wird. Benannt wurde sie nach dem ersten Generalsekretär der Europäischen Fußball-Union (UEFA). Der französische Visionär Delaunay hatte schon 1927 die Einführung einer EM angeregt, aber erst 1960 wurde der erste Wettbewerb ausgetragen. Die UdSSR nahm als erste Mannschaft den Pokal in Empfang.

Der von Arthur Bertrand in Paris für 20.251 französische Franc geschaffene und mit Silber überzogene Cup bleibt aber Eigentum der UEFA. Von dem acht Kilo schweren und 42 cm hohen Pokal erhält der siegreiche Verband nur eine kleinere Nachbildung, die er behalten darf. Eine Replik in Originalgröße bekommt nur derjenige Verband, der den Wettbewerb entweder drei Mal hintereinander oder insgesamt fünf Mal gewinnt. Bisher hat dies noch keine Mannschaft geschafft. Deutschland führt die Siegerliste mit drei Titelgewinnen an.

Völlig euphorisierte Portugiesen

Gegen die Griechen, so der allgemeine Tenor, könne nichts mehr schief gehen. Dass es im neuen Lissaboner "Estadio da Luz" ein ähnliches Waterloo geben könnte wie vor drei Wochen beim Turnier-Auftakt in Porto, glaubt im völlig euphorischen Portugal kaum jemand. Die Mannschaft habe inzwischen ein anderes Gesicht. Im Eröffnungsspiel hatte der eigenwillige Scolari noch auf die alten Recken gesetzt, die vor 13 Jahren im alten Luz-Stadion mit dem Gewinn der U20-WM den einzigen internationalen Titel nach Portugal geholt hatten.

Von denen hat nur Superstar Luis Figo seinen Platz behauptet. Vier Spieler von der damaligen Startelf sind dagegen nur noch zweite Wahl, unter ihnen die Fußball-Ikonen Fernando Couto (35) und Rui Costa (32). Nicht die einst als "goldene Generation" gepriesenen Altstars tragen Portugals Hoffnungen am Sonntag, sondern Spielmacher Deco oder der erst 19-jährige Cristiano Ronaldo.

"Das Volk trägt uns auf Flügeln"

"Diese Macht kann niemand stoppen", prophezeite «Record», eine der vielen Zeitungen in Portugal, die sich derzeit in Superlativen übertreffen. Den immensen Erwartungsdruck in der Bevölkerung sieht Scolari nicht als Problem, sondern als Ansporn. "Das Volk trägt uns auf Flügeln", sagte der Brasilianer, der gleich in zweifacher Hinsicht in die Geschichte eingehen kann: Noch nie wurde eine Mannschaft mit einem ausländischen Trainer Welt- und Europameister. Und mit einem Sieg wäre der vor zwei Jahren in Yokohama mit Brasilien erfolgreiche Scolari auch der erste Coach, der mit zwei verschiedenen Mannschaften Welt- und Europameister werden würde. Zudem würde er noch 100 000 Euro mehr Prämie erhalten als die Spieler.

Griechen stürmen Lissabon

Aber auch Griechenland ist seit dem Sieg über Tschechien ein Land im Fußball-Ausnahmezustand. Alle Reiseunternehmen versuchen ihr Bestes, um den Fans die Unterstützung von Ottos Truppe vor Ort zu ermöglichen. Doch niemand hatte mit so einem Andrang gerechnet: Schätzungen zufolge haben sich bislang 30.000 Menschen für eine Reise nach Portugal gemeldet. Halb Griechenland ist auf dem Weg zum Estádio da Luz in Lissabon. Der Staat wollte selbst für Abhilfe suchen: Auf Anweisung von Verkehrsminister Michalis Liapis wird die staatliche Luftlinie Olympic Airlines rund 2500 Fans zum Minimalpreis mit Sonderflügen nach Portugal bringen.

Ottos Griechen können nur gewinnen

Ottos Vorteil gegenüber den Portugiesen liegt auf der Hand: Er hat nichts mehr zu verlieren. "Griechenland ist schon jetzt der Sieger dieser EM", meinte auch Portugals Trainer Scolari. Unabhängig vom Ausgangs des Finals: Ein großer Empfang ist den wackeren Hellen sicher. Nach der Rückkehr am Montag aus Portugal wird die Mannschaft offiziell im Panathinaikon-Stadion - 1896 Austragungsort der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit - von Athen empfangen. Eine große Ehre!

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