Die demütigende 1:3-Abfuhr beim Meisterstück des SV Werder Bremen am 8. Mai 2004 hat beim FC Bayern München bis heute niemand vergessen, doch beim Wiedersehen im Olympiastadion steht die Vergangenheits-Bewältigung an zweiter Stelle. Es geht um die Zukunft: Werder, Arsenal, Schalke - innerhalb von neun Tagen will der deutsche Fußball-Rekordmeister in Bundesliga und Champions League die Weichen für eine erfolgreiche Saison stellen. "Wir wissen, dass das eine entscheidende Woche ist", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge und fordert bei der ersten Bewährungsprobe am Samstag eine Initialzündung: "Wir müssen den Bremern die Grenzen aufzeigen."
0:1 Klasnic (19.), 0:2 Micoud (26.), 0:3 Ailton (35.) - innerhalb von 16 Minuten war vor zehn Monaten beim letzten Duell in München alles vorbei. "Damals haben wir richtig einen auf den Hut bekommen", erinnert sich Rummenigge mit Schrecken an die bittere Vorführung. Der entthronte Titelverteidiger trauerte, und die Werder-Profis feierten ausgerechnet im Olympiastadion die vierte deutsche Meisterschaft.
Bei einer Niederlage kann für Werder alles schon vorbei sein
Beim Wiedersehen sind die Voraussetzungen umgekehrt: Dieses Mal ist Werder der Verfolger und darf unter keinen Umständen verlieren. "Es ist unsere letzte Chance. Bei einer Niederlage kann für uns schon alles vorbei sein. Es ist ein Finale", sagt Werders Abwehrchef Valérien Ismael. Rummenigge stimmt zu: "Die Meisterschaft wird am Samstag nicht entschieden. Aber wenn wir gewinnen, ist Werder weitestgehend aus dem Rennen." Dann würde der Vorsprung des Tabellenführers auf sieben Punkte anwachsen und es käme am Sonntag in einer Woche in Gelsenkirchen zum direkten Titelduell Schalke gegen Bayern. Doch so weit will in München noch keiner denken, zumal nach dem Bremen-Spiel erst noch die Champions-League-Aufgabe bei Arsenal London auf die Bayern wartet.
Keine Angst, aber großen Respekt haben die Münchner vor den Bremern, gegen die sie seit fünf Jahren im Olympiastadion nicht mehr gewonnen haben. "Es imponiert, mit welchem Selbstbewusstsein Werder die letzten Spiele absolviert hat", sagte Rummenigge. Die Bremer sind die beste Rückrunden-Mannschaft, holten nach der Winterpause 15 von 18 möglichen Punkten, zwei mehr als die Bayern. Und nach dem 3:0- Sieg im Pokal-Viertelfinale gegen die "kleinen" Bayern gehen sie voller Zuversicht in Teil 2 ihrer bayerischen Woche. Sportdirektor Klaus Allofs: "Wir fahren nach München, um drei Punkte zu holen."
Für Brisanz ist gesorgt
Für Brisanz ist gesorgt, auch wegen der Vorkommnisse beim 2:1-Sieg der Münchner im Hinspiel, als Nationaltorhüter Oliver Kahn sich eine Nasenbohrer-Attacke gegen Miroslav Klose leistete und Michael Ballack mit einem unabsichtlichen Schlag Nationalelf-Kollege Frank Fahrenhorst das Nasenbein brach. "Es war ein umkämpftes Spiel", erinnert sich Felix Magath. Der Bayern-Trainer kann dem Kräftemessen mit dem Meister entspannt entgegen blicken, denn seine Mannschaft ist in Topform, wie sie beim 7:0-Schützenfest in Freiburg bewies.
Der lockere Abendspaziergang ins Pokal-Halbfinale dokumentierte auch, dass der Rekordmeister mit Ballack noch eine Klasse stärker ist. Der Nationalmannschafts-Kapitän war im ersten Spiel nach seiner Verletzungspause Torschütze und Antreiber auf der von ihm bevorzugten zentralen offensiven Mittelfeldposition. Er beendete damit alle Spekulationen um seine Bedeutung für das Magath-Team im Keim. "Die Diskussion um Ballack war albern. Er ist ein Weltklassemann, und wenn er fit ist, spielt er auch", kommentierte Rummenigge. Am Samstag muss sich Ballack dem Spielmacher-Vergleich mit Johan Micoud stellen. Der Wert des Franzosen steht für seinen Landsmann Ismael außer Frage: "Seine Kreativität, seine Pässe sind lebenswichtig für Werder."