Der FC Teutonia 05 im Hamburger Stadtteil Ottensen hätte eigentlich allen Grund zur Freude: Der langgehegte Traum vom Kunstrasenplatz hat sich erfüllt – nach sieben Jahren Planung wurde im Januar 2016 endlich der neue Untergrund eingeweiht. Seit 1910 wurde auf dem städtischen Fußballplatz am Hohenzollernring auf harter Asche gegrätscht, in Zukunft soll nun auf geschmeidigerem Geläuf gekickt werden.
Dumm nur, dass kurz darauf eine Beschwerde beim Bezirksamt Altona einging: Ein Nachbar fühlte sich belästigt vom neuen Lärm, der vom Fußballplatz zu ihm herüberwehte, und drohte mit einer Klage. Das Amt prüfte und stellte fest: Aus baurechtlichen Gründen gelten für den Kunstrasenplatz strengere Lärmschutzbestimmungen. Was vorher an Lärmbelastung zulässig war, geht jetzt nicht mehr. Das Amt entschied gemäß der Sportanlagenlärmschutz-Verordnung, was bedeutet: An Werktagen darf bei Teutonia nur noch bis 21 Uhr (statt 21.30 Uhr) trainiert werden, am Wochenende dürfen die Plätze nur noch 300 Minuten (samstags) und 180 Minuten (sonntags) genutzt werden. Der Spielbetrieb ist so kaum aufrechtzuerhalten, manche Teams des Vereins müssen auf eine zwei Kilometer entfernte Sportanlage ausweichen – wo sie, welch Ironie, wieder auf Asche spielen müssen.
Hamburg: Viel Streit beim FC Teutonia 05
Im Verein gebe es inzwischen viel Streit, teilte der ehrenamtliche Vorsitzende von Teutonia 05, Diddo Ramm, bereits mit. Dazu muss man wissen: Der Klub hat im Viertel eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung, er vereint alle Schichten und 22 Nationen unter seinem Wappen. Er steht exemplarisch für die immense Bedeutung, die Vereine und ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter nach wie vor - und vielleicht sogar mehr denn je - in Deutschland haben.
Wie kann es sein, dass eine einzige Beschwerde so viel Staub beziehungsweise Asche aufwirbelt? Wie kann es sein, dass das Recht einer Einzelperson in einem solchen Fall über jenem von 600 Vereinsmitgliedern steht? Mal ganz abgesehen davon, dass das Vereinsgelände an einer vierspurigen Straße liegt und der lärmempfindliche Nachbar offenbar nicht mal in den Mietshäusern direkt neben dem Platz, sondern jenseits des Verkehrsrings wohnen soll.
In Ottensen ist der Unmut groß. An einer Demonstration für den Verein nahmen rund 1000 Menschen teil. Sie zogen durchs Viertel und hielten mehrfach an, um auf der Straße Fußball zu spielen. Motto des Protests: "Fußball braucht keinen Lärmschutz." Alle hoffen auf eine neuerliche Änderung der Auflagen, weshalb auch eine Beschwerde bei Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz eingereicht wurde. Außerdem sollen lärmtechnische Messungen nachweisen, dass der Fußball bei Teutonia eben doch nicht zu laut für die Nachbarschaft - oder genauer: den Nachbarn - ist.
Verzweifelte Maßnahmen in absurden Zeiten
Verzweifelte Maßnahmen in absurden Zeiten für den Verein. Zwar handelt es sich kaum um einen Einzelfall in Deutschland, viele Vereine in Wohngebieten mussten bereits Lärmschutzwände einrichten. Rücksicht auf die Nachbarschaft ist wichtig, das gilt auch für den Fußball.
Allerdings sollte Rücksicht gegenseitig gelten - und der Umgang der Behörden mit der Beschwerde ist wenig sensibel: Binnen einer Woche nach ihrer Einreichung stand für Teutonia fest, dass der Verein seine Abläufe für insgesamt 38 Mannschaften komplett umstrukturieren muss. Das Urteil wirkt wie ein Schnellschuss, der die integrative Wirkung und gesellschaftliche Bedeutung des Vereins für sein Viertel überhaupt nicht berücksichtigt. Es macht die ganze Angelegenheit zu einer Posse, die auf dem Rücken kickender Kinder - und dem sozialen Gefüge eines ganzen Viertels - ausgetragen wird.
Kurz gesagt: viel Lärm um wenig Lärm.