Fünf Spieltage vor Beginn der Playoffs kommt endlich wieder etwas Bewegung in die Spitzengruppe. Die ersten sechs Teams der Süper Lig blieben unter sich. Was außer Traumtoren und Kantersiegen noch dabei heraussprang, lesen Sie jetzt.
Der Spieltag in der Übersicht
Mit 6:1 schickte Fenerbahce Playoff-Anwärter Genclerbirligi zurück auf den Boden der Tatsachen. Keine zwei Minuten benötigten die Kanarienvögel, um der Jugendvereinigung Ankara alle Illusionen zu nehmen. Miroslav Stoch nahm eine Alex-Ecke aus 20 Metern mit vollem Risiko und bewarb sich mit dem Treffer für das Tor des Jahres. Moussa Sow und abermals Miroslav Stoch sorgten noch vor dem Seitenwechsel für die Entscheidung. Emre, Alex und Issiar Dia machten den Kantersieg in Hälfte zwei schließlich perfekt.
Die Hauptstädter mussten nicht nur eine derbe Klatsche hinnehmen, sondern auch einen Rückschlag im Kampf um einem Platz in den Playoffs. Fünf Punkte Distanz auf den fünften Rang bei fünf verbleibenden Spieltagen bedeutet für viele Anhänger schon das Aus aller Träume im Rennen um die Meisterschaft. Nur die unverbesserlichen Optimisten sehen im schweren Restprogramm Trabzonspors und der Formlosigkeit von Besiktas den letzten Funken an Hoffnung.
Bei Temperaturen um zehn Grad unter null zersprangen die Tränen der Rot-Weißen auf dem vereisten Rasen: Gegen Galatasaray verlor Sivasspor das Hinspiel schon mit 2:1 und hatte nun auch in der Heimat mit 0:4 das Nachsehen. Der zweifache Torschütze Necati Ates, Tomas Ujfalusi und Aydin Yilmaz manifestierten die Istanbuler Überlegenheit in ein entsprechendes Resultat.
Sechs Punkte Abstand lassen nur noch die allergrößten Sivas-Fans von den Playoffs träumen. Die Löwen indes sind nun auch rechnerisch nicht mehr von der Teilnahme am baldigen Stichkampf um die Meisterschaft zu verdrängen. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem bemerkenswerten Vorsprung in die Meisterschaftsrunde starten. Aber - wie funktioniert dieses neue System eigentlich?
Playoffs
Nachdem wir nun schon einige Male die neuen Playoffs erwähnt haben, möchten wir an dieser Stelle die Regularien der Entscheidungsrunde um die Meisterschaft im Detail vorstellen.
Nach Abschluss der regulären Saison qualifizieren sich die ersten vier Mannschaften für die so genannte Meisterschaftsgruppe. Parallel spielen die Plätze fünf bis acht einen Anwärter zur Qualifikation zur Europa League aus. Aber der Reihe nach.
Die qualifizierten Teilnehmer nehmen die Hälfte ihrer erspielten Punkte mit in die Playoffs. Bei ungerader Zahl wird aufgerundet. Nun wird im Ligasystem mit Hin- und Rückspiel in der Meisterschaftsgruppe der Meister und somit der direkte Teilnehmer an der Gruppenphase der Champions League ausgemacht. Der Zweitplatzierte nimmt an der dritten Qualifikationsrunde des begehrten internationalen Turniers teil. Der Drittplatzierte ist direkt für die Europa League qualifiziert. Der Vierte der Meisterschaftsgruppe macht indes in einem letzten finalen Spiel gegen den Sieger der zweiten Playoff-Gruppe den vakanten Platz in der Europa League-Qualifikation aus.
Wäre heute die reguläre Spielzeit vorbei, würde Galatasaray also mit 33 Punkten in die Playoffs gehen und damit mit vier Punkten vor Fenerbahce und jeweils acht Punkten vor Besiktas und Trabzonspor starten. Bei zu vergebenden achtzehn Punkten ein stattlicher, aber nicht uneinholbarer Vorsprung.
Man darf gespannt sein, ob das neue System die Spannung erhöhen wird. Die größte Gefahr besteht für den Tabellenführer. Der sichere Vorsprung aus der regulären Spielzeit kann in den vielen anstehenden Derbys noch verspielt werden. Nicht auszudenken, wie die Fans reagieren, sollte man am Ende nur in der Europa League antreten dürfen. Für neutrale Zuschauer hingegen wird es so oder so ein Fest: Woche für Woche ein Istanbuler Derby, hinzu kommen die Klassiker gegen Trabzonspor. Wie viel Feuer in den Spielen mit dem Schwarzmeer-Club steckt, konnte man nicht zuletzt am Sonntag beobachten.
Match der Woche
Das Match der Woche war jene Begegnung zwischen dem Dritten und dem Vierten der Süper Lig. Besiktas empfing Trabzonspor. Die Gäste zwangen die Schwarzen Adler früh in die Defensive und hatten schon in Hälfte eins etliche hochkarätige Chancen, aber sowohl Mittelfeldmann Olcan Adin als auch Tormaschine Burak Yilmaz vergaben freistehend. Besiktas hatte allergrößte Mühe, Stabilität in die Abwehrreihe zu bekommen, was dem Umstand geschuldet war, dass Trainer Carlos Carvalhal gezwungen war, eine Viererkette aus reinen Innenverteidigern aufzustellen.
Der Gastgeber rettete sich allein aufgrund der miserablen Chancenauswertung des sechsmaligen türkischen Meisters mit einem 0:0 in die Pause. Nach dem Seitenwechsel war es abermals die Portugiesen-Connection der Adler, die auf Seiten des Istanbuler Clubs für Furore sorgte. Der Ex-Bremer Hugo Almeida verarbeitete eine Flanke Ricardo Quaresmas mit maximalem Ertrag und köpfte Besiktas überraschend in Führung. Wer aber glaubte, dass sich damit die Rollenverteilung ändern würde, sah sich getäuscht. Trabzon blieb spielbestimmend und kam folgerichtig durch Burak Yilmaz zum Ausgleich, der gleichzeitig mit seinem 30. Saisontreffer weiter an seinem Marktwert schraubte. Viele gute Möglichkeiten später war es schließlich Colman, der eine zu kurze Torwartabwehr Ersan Gülüms nutze und die verdiente Führung erzielte.
Die Mannschaft der Stunde heißt Trabzonspor, nicht zuletzt, weil man noch vor einigen Wochen große Sorge hatte, die Playoffs zu erreichen. Nach dem 29. Spieltag steht man nun auf dem dritten Tabellenplatz, hat Besiktas hinter sich gelassen und ein Polster von fünf Punkten vor dem Fünften Genclerbirligi. Zufriedenheit herrscht beim Club von der Schwarzmeerküste. Zu sicher sollte man sich dennoch nie sein
Quo vadis Besiktas?
Die sportliche Niederlage ist nicht das einzige Ereignis, das die Fans der Schwarzen Adler momentan beschäftigen dürfte. Der älteste Sportverein der Türkei befindet sich derzeit in einer Phase des Umbruchs und der Neuerungen. Die nächsten Wochen und Monate entscheiden, in welche Richtung es für den 13-maligen türkischen Meister geht.
Mit der Wahl von Yildirim Demirören zum ersten Mann des türkischen Fußballverbands wurde nicht nur eine Stelle im Präsidium von BJK offen, sondern auch die Frage diskutiert, wie man die Schulden beim scheidenden Demirören ausgleichen könnte. Von 43 Millionen Euro waren die Rede, die der türkische Geschäftsmann in knapp acht Jahren Präsidentschaft dem Verein aus der Privatschatulle geliehen haben soll. Als wäre das nicht genug an Verbindlichkeiten, gibt der Staat jetzt auch noch grünes Licht für den, von Demirören angetriebenen, Stadionneubau. Schlappe 120 Mio Euro Baukosten stehen hier im Raum.
Die wildesten Spekulationen rankten sich darum, wie Besiktas sich aus der prekären Situation zu befreien versucht. Von der Überschreibung der Transferrechte der portugiesischen Starspieler Quaresma, Fernandes, Almeida und Simao an Demirören, bis hin zur kompletten Übernahme des Vereins durch den neuen Verbandspräsidenten.
Vor einer guten Woche stoppte Demirören aber selbst alle Spekulationen, nahm sich ein Beispiel an den türkischen Seifenopern und versprach ein Happy End, welches in der Süper Lig unerreicht ist. Er kündigte an, dem Verein alle Schulden zu erlassen. Wer nun aber glaubt, einen rosaroten Abspann zu erkennen, der irrt. Nur wenige Tage später sprach der missverstandene Demirören nur noch von einer Stundung der Schulden. Wer will da den Fans von Besiktas eine gewisse Verwirrung verdenken?
Frage der Woche an Nihat den Besiktas Fan:
"Wie bewertest du als langjähriger Fan die Entwicklungen bei Besiktas? Glaubst du, die Niederlage gegen Trabzon ist dem Trubel drumherum geschuldet? Könntest du dich mit dem Namen "Demirören-Stadion" für die neue Arena anfreunden?"
Nihat: Nach so einem Wochenende kann es für mich als Besiktas-Fan nur besser werden. Unsere direkten Konkurrenten haben allesamt gewonnen und selbst, wenn wir es in die Playoffs schaffen sollten, von der Meisterschaft wage ich nicht mehr zu reden. Wir haben das Spiel verdient verloren und ich habe vollstes Verständnis für unsere Spieler. Ich wäre genauso unkonzentriert, wenn mein Unternehmen keinen Vorstand und Präsidenten hat, ich seit Monaten kein Gehalt bekomme und in den Medien schmutzige Wäsche gewaschen wird.
Und mit dem Namen "Demirören Stadion" kann und will ich mich nicht anfreunden. Für mich gibt es nur folgende drei Varianten:
1. Kartal Yuvasi (Nest des Adlers)
2. Seba Stadi (nach unserem legendären Präsidenten Süleyman Seba, der von 1984 bis 2000 im Dienst war) oder
3. ein finanzstarker Investor sichert sich die Namensrechte für eine begrenzte Zeit, so wie es aktuell der Fall ist
Serkan Agci und Bülent Yaman