Eigentlich sollten Spaniens Fußballerinnen nach dem 1:0-Sieg im Finale gegen England den WM-Titel feiern. Doch der große Erfolg wird von einem Vorfall bei der Siegerehrung überschattet: Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales hatte Spielerin Jennifer Hermoso auf den Mund geküsst – offensichtlich ohne deren Zustimmung.
Seitdem sieht sich der Chef des Fußballverbands RFEF viel Kritik ausgesetzt. Als "Form der sexuellen Gewalt" hatte Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero den Kuss bezeichnet. Und auch die Betroffene selbst hatte in einer ersten Reaktion geäußert: "Das hat mir nicht gefallen." Sie hätte nicht gewusst, wie sie hätte reagieren sollen. Dass Hermoso später in einer offiziellen Verbandsmitteilung mit relativierenden Aussagen zitiert wurde, soll ohne ihr Wissen geschehen sein, schreibt das spanische Sportportal "Relevo".
Rubiales wollte Hermoso angeblich von gemeinsamem Video überzeugen
Laut des Berichts hatte Rubiales nach den ersten negativen Reaktionen die Weltmeisterin davon überzeugen wollen, gemeinsam ein Video aufzunehmen, das dann im Internet veröffentlicht werden sollte. Darin sollten beide erklären, wie es zu dem Vorfall gekommen sei – offenbar um Rubiales zu entlasten. Die Spielerin habe sich aber geweigert, daran mitzuwirken. Auch als Trainer Jorge Vilda versuchte, sie und ihre Familie zu beeinflussen, ging sie nicht darauf ein. So musste der Verbandschef sein Entschuldigungsvideo allein veröffentlichen.
Darin gestand er öffentlich ein, er habe "wahrscheinlich einen Fehler gemacht" und entschuldigte sich. Er müsse daraus lernen und wolle in Zukunft vorsichtiger sein. Der Kuss sei "spontan" und "ohne jede böse Absicht oder bösen Willen" passiert. Auch Jennifer Hermoso wiegelte in einem Statement des RFEF ab – zumindest schien es zunächst so. Man solle "dieser Geste der Freundschaft und der Dankbarkeit nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken", wurde sie darin zitiert. Sie und der Präsident hätten "ein großartiges Verhältnis zueinander".
Doch laut "Relevo" waren diese Zitate nicht mit der Stürmerin abgestimmt. Vielmehr soll die RFEF-Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit diese Aussagen in die Pressemitteilung geschrieben haben, ohne sie mit Hermoso abzustimmen – und den Verbandschef zu entlasten. Die Weltmeisterin wollte sich offenbar gar nicht mehr zu der Angelegenheit äußern.
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Ministerpräsident Sanchez nennt Entschuldigung "unzureichend"
Bezeichnend, dass nach dem ersten WM-Titel eines spanischen Frauenteams sich die Diskussion erneut um das Fehlverhalten eines Mannes dreht statt um die Leistung der Spielerinnen. Rubiales führt den Verband seit 2018 und ist seit 2019 auch Vizepräsident der Uefa. Die Affäre dürfte für ihn noch nicht vorbei sein, weiterhin stehen persönliche Konsequenzen im Raum.
Erst recht, nachdem sich auch Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez dazu geäußert hat. Beim Empfang der Weltmeisterinnen in Madrid sagte der Regierungschef, die Entschuldigung von Rubiales sei "unzureichend". "Was wir gesehen haben, ist eine inakzeptable Geste", erklärte er.
Quellen: Statement von Rubiales / "Relevo" / Cadena Ser / DPA