Da stand er nun und und gab ein Bild ab, dass so gar nicht zu dem großen Fußballer Thomas Müller passt: Der Nationalspieler war gerade eben nach quälenden 94 Minuten mit dem ruhmreichen FC Bayern gegen den Kleinstadtverein FC Villarreal im Viertelfinale der Champions League ausgeschieden (0:1, 1:1) und versuchte tapfer die Fragen von Amazon-Reporterin Annika Zimmermann zu beantworten. Im Grunde gab es ja nur eine: Wie konnte das passieren?
Der sichtliche getroffene Müller mühte sich, gefasst zu bleiben, und eine Erklärung zu formulieren für das, was zuvor auf dem Rasen der Allianz-Arena passiert war. Er sagte zum Beispiel, dass das Ergebnis "extrem bitter" sei. Er sagte aber auch: "Wir haben ein engagiertes Spiel gemacht, ein gutes Spiel gemacht." Den Vorwurf, die Chancen in der zweiten Halbzeit nicht genutzt zu haben, müsse man sich gefallen lassen, gab er zu. Dann gingen dem sonst so eloquenten Müller die Worte aus: "Die Niederlage zu akzeptieren, ja weiß ich auch nicht genau, was ich sagen soll."
Mehr Ratlosigkeit geht kaum. Sie zeugt davon, dass der Bayern-Profi unmittelbar nach dem Spiel nicht verstanden hat (oder verstehen wollte), warum die Bayern gegen Villarreal verloren haben. Denn ein "gutes Spiel" haben die Münchner nicht gezeigt. Zumindest waren sie nicht gut genug, um den 0:1-Rückstand aus dem Hinspiel zu drehen.
Dabei hat das erneute Scheitern im Viertelfinale gegen einen Außenseiter handfeste Gründe.
1. Die Bayern haben den Gegner unterschätzt
Nach der Auslosung der Viertelfinal-Partien sagten alle Bayern-Verantwortlichen brav, was man halt so sagt angesichts eines vermeintlich kleinen Gegners: Dass man die Spanier sehr ernst nehme. Sportvorstand Hasan Salihamidzic sprach von einer "guten Mannschaft", Thomas Müller von einem "harten Los". Doch im Umfeld wie in den Medien war schnell ein anderes Thema genauso wichtig: Dass man im Halbfinale wohl auf den FC Liverpool von Jürgen Klopp trifft. Trainer Julian Nagelsmann warnte ausdrücklich vor diesen Gedankenspielen: "Ich finde es jetzt nicht richtig, den Weg weiter zu malen."
Seine Warnung verpuffte offenbar.
Im Hinspiel zeigten die Bayern eine ganz schwache Leistung und hatten noch Glück, dass sie nicht höher als 0:1 verloren. Für das Rückspiel wurde der Mythos vom "Mia san Mia" beschworen, Manuel Neuer tönte: "Mit uns ist nicht zu spaßen." Doch Sprüche allein bringen nichts. Man erledigt eine so clevere und von sich überzeugte Mannschaft wie Villarreal nicht im Vorbeigehen, und eine grimmig-entschlossene Miene beim Einlaufen ins Stadion macht einen nicht automatisch besser. In der Rückschau ist es ganz offensichtlich, dass die Bayern den Gegner (unterbewusst) unterschätzt haben, besonders im Hinspiel. Villarreal spielte äußerst diszipliniert, war ball- und passsicher und vor allem im Hinspiel taktisch variabel.
2. Die Offensive stottert und ist ideenlos
Das Fachmagazin "kicker" analysierte vor dem Rückspiel gegen Villarreal detailliert, dass die Bayern ein echtes Offensiv-Problem haben. Von den 38 Toren in der Rückrunde waren lediglich fünf wirklich herausgespielt. Die anderen 33 Treffer resultierten demnach aus Standards, Kontern, Fehlern des Gegners, Eigentoren und Einzelaktionen. Das ist sicherlich ein sehr strenger Maßstab, bestätigt aber den Eindruck aus den Spielen gegen die Spanier. Gegen das tiefstehende Villarreal, das nahezu keine Fehler machte, wäre Kreativität und schnelles Kombinationsspiel gefragt gewesen, stattdessen agierten die Bayern statisch und ideenlos. Das einzige Tor der Bayern in zwei Spielen resultierte aus dem einzigen gravierenden Fehler der Spanier: ein Fehlpass im Spielaufbau.
3. Die Bayern haben ein Defensiv-Problem
Das Ausgleichstor der Spanier im Rückspiel war typisch für die löchrige Defensive der Bayern. Ein Ballverlust in der Offensive führte zu einem Konter. Vorangegangen war eine Flanke der Bayern in den Strafraum, die die Abwehr von Villarreal per Kopf zum eigenen Mann klärte. Müller, Goretzka und Pavard lassen Parejo gewähren, Alphonso Davies hebt bei dessen Steilpass auf Gerad das Abseits auf und kommt gegen Chukwueze zu spät. Durch die offensive Ausrichtung sind die Bayern anfällig für Konter, weil das Gegenpressing nicht gut funktioniert. Das Gegentor war dafür ein Lehrbeispiel aus dem Bilderbuch.
4. Viele Leistungsträger laufen ihrer Form hinterher
Leroy Sané zum Beispiel. In der Hinrunde war er in Topform und entschied Spiele im Alleingang, doch seit Wochen ist er weit entfernt davon. Die Formkrise kommt zur Unzeit, denn das Frühjahr ist die wichtigste Phase einer Saison, hier werden die großen Spiele entschieden wie ein Viertelfinale in der Champions League. Doch Sané ist nicht allein. Auch Serge Gnabry hat abgebaut. In der Abwehr ist Dayot Upamecano schon während der ganzen Saison immer wieder ein Schwachpunkt. Hinzu kommen diejenigen, die nach einer langen Verletzung zurückgekommen sind und noch nicht wieder ihre Normalform erreicht haben wie Leon Goretzka und Alphonso Davies. Auch Thomas Müller zeigt schwankende Leistungen. Von ihm war im Hinspiel gegen Villarreal gar nichts zu sehen. Gleiches gilt für Joshua Kimmich, dessen Leistungen höchst wechselhaft sind. Und Robert Lewandowski fehlt im Angriff oft die Unterstützung. Insgesamt haben die Bayern ein Form-Problem.