Die Spannung im deutschen Lager vor dem Holland-Spiel merklich: Seit Samstag verschanzt sich Völler mit seinen Spielern im DFB-Quartier an der Algarve. Mit totaler Abschottung und gezielten Ablenkungsmanövern will es der DFB-Teamchef schaffen, den EM-Auftaktgegner Niederlande in Rätselraten über die deutsche Taktik und Aufstellung zu stürzen. "Vielleicht sind das die ein, zwei Prozent, die uns helfen, ein bisschen unberechenbarer zu sein".
Nur in einem Punkt legten Trainer und Spieler die Karten schon am Wochenende auf den Tisch: Mit extrem aggressivem Spiel will der spielerisch unterlegene Vize-Weltmeister die individuell stärkeren Niederländer einschüchtern. Völler forderte, dass man sich in den Zweikämpfen "hundertprozentig austoben und auskotzen" müsse. Michael Ballack empfahl, bis "an die Grenze des Erlaubten" zu gehen: "Man muss alles ausreizen, um die Holländer zu beeindrucken", sagte der Mittelfeldspieler. Bundestrainer Michael Skibbe versprach gewohnt wortgewaltig: "Wir werden ihnen den Schneid abkaufen."
Welche Trümpfe neben der Härte stechen sollen, gilt als "top secret", so Skibbe. Alle munkeln von an Völlers Überrumpelungs-Taktik, deren Clou nur ein Stürmer im Defensiv-Bollwerk sein könnte.
Ballack letzte Stürmerhoffnung?
Heiße Debatten im Quartier hat die fehlende Durchschlagskraft der Stürmer ausgelöst, auf die der persönlich betroffene Fredi Bobic bereits leicht genervt reagierte: "Auf Schuldzuweisungen habe ich keinen Bock." Der Stuttgarter Kevin Kuranyi wird von Führungskräften wie Ballack als einzige Spitze ins Gespräch gebracht. "Das ist eine Möglichkeit, die man in Betracht ziehen muss", bemerkte der Münchner, auf dessen Torgefahr ohnehin am meisten gehofft wird.
"Unabhängig davon, ob wir mit einer oder zwei Spitzen spielen werden, ist es wichtig, dass wir den Michael Ballack in Schusspositionen und Kopfball-Situationen vor dem gegnerischen Tor bringen", sagte Völler.
Defensivvariante bevorzugt
Mit lediglich einem Stürmer und dafür Frank Baumann als zusätzlichem Stabilisator in der Defensive könnte so eine Überzahl im Mittelfeld geschaffen werden. "Und da wird das Spiel entschieden", glaubt Ballack. Die so genannte "Wembley-Taktik" sorgte vor fast vier Jahren beim 1:0 in London gegen England für den letzten Sieg der Nationalelf gegen eine große Fußball-Nation. Eine Stärkung der Defensive wird auch von den zuletzt schwächelnden Innenverteidigern unterstützt. "Wir müssen kompakt stehen und das Spielfeld klein machen", empfahl Christian Wörns.
Der Dortmunder geht fest davon aus, dass er mit dem Leverkusener Jens Nowotny das Abwehrzentrum bilden wird, auch wenn Völler Arne Friedrich auf seiner Position testete
Die Debatte über Spielsysteme scheint Völler auch immer mehr auf die Nerven zu gehen. "Wie wir spielen, ist nicht so wichtig, sondern wie jeder einzelne auf dem Platz seine Qualitäten umsetzt", betonte der 44-Jährige am Sonntag.