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Offener Umgang Der Fall von Werder-Profi Niklas Schmidt macht deutlich: Der Profi-Fußball lernt bei Depressionen dazu

Lebensfreude "nicht so gespürt": Werder-Profi Niklas Schmidt
Lebensfreude "nicht so gespürt": Werder-Profi Niklas Schmidt
© David Inderlied / DPA
Fußball-Profi Niklas Schmidt von Werder Bremen hat jüngst berichtet, dass er an "großen mentalen Problemen" gelitten habe. Immer mehr Profis scheuen sich nicht mehr, das Thema Depressionen offen anzusprechen. Dennoch könnte die Bundesliga mehr tun.

Fußball-Profi Mitchell Weiser hat mit viel Mitgefühl auf den Teamkollegen Niklas Schmidt reagiert. Letzterer hatte im Trainingslager von Werder Bremen im spanischen Murcia öffentlich berichtet, dass er "große mentale Probleme" habe und sich seit längerer Zeit in psychologischer Behandlung befinde. Weiser erzählte nun, dass er den Kollegen "in den Arm genommen" habe, als er und die anderen Profis von Schmidts Problemen erfahren haben. "Weil ich finde, dass es sehr beeindruckend ist, sich das zu trauen." Nicht nur er habe ihn dadurch wissen lassen wollen, "dass wir für ihn da sind, dass ich für ihn da bin", sagte Weiser. "Das hat ihm jeder vermittelt und das war ein gutes Zeichen. Ich hoffe, dass er auf dem Weg der Besserung ist."

Der 24-jährige Schmidt schilderte in Murcia, dass er noch nicht genau wisse, was er für ein Probleme habe oder woran es liege: "Depression ist ein sehr großes Wort. Was es am Ende genau ist, weiß ich nicht. Ich werde das mit meinem Psychologen aufarbeiten", sagte er. Er beschrieb seine Probleme so, dass er die Lebensfreude "nicht so gespürt" habe: "Wenn andere Leute, die nah bei dir sind, Angst um dich haben, dann musst du dir helfen lassen und den Rat der Familie annehmen – auch wenn man den in dem Moment vielleicht nicht hören möchte."

Niklas Schmidt: Man sollte offen damit umgehen

Doch angesichts der Hilfe sei es wichtig für ihn und seine Familie, dass es ihm in dieser Hinsicht gut gehe. "Man sollte offen damit umgehen und sich helfen lassen", sagte Schmidt, da das Thema "leider immer noch ein Tabuthema" sei. Schmidt habe für seine Offenheit mit Benjamin Pavard vom FC Bayern ein Vorbild gehabt. Nachdem der französische Abwehrspieler seine Depressionen öffentlich gemacht hatte, habe er sich darin wiedergefunden, sagte Schmidt. 

Das Geständnis des jungen Werder-Profis vor wenigen Tagen deutet darauf hin, dass sich der Umgang mit dem Thema Depressionen und psychischen Probleme im Profi-Fußball ändert – langsam zwar, aber zum Positiven. Zuletzt bekannten einige Spieler, wie sehr sie an der Krankheit gelitten haben oder noch immer leiden. Darunter war sogar Oliver Kahn, der einst für gnadenlosen Ehrgeiz und einen brutalen Erfolgswillen stand. Kahn hatte bereits 2017 im Fernsehen und erneut im vergangenen Dezember in einem Podcast erzählt, dass und wie er während seiner Karriere an Depressionen gelitten habe. Der 1. FSV Mainz 05 machte im vergangenen Oktober bekannt, dass Verteidiger Maxim Leitsch an einem "körperlichen und mentalen Erschöpfungszustand" leide. Seitdem hat Leitsch kein Spiel mehr absolviert, befindet sich aber auf dem Weg der Besserung. Auch die Reaktion Weisers auf das Bekenntnis seines jungen Teamkollegen Schmidt zeugt von größerer Sensibilität bei dem Thema.

Es gibt noch viel zu tun

Dennoch gibt es noch viel tun. Schmidt sprach nicht umsonst von einem "Tabuthema". Der Umgang ist offener, aber eine Selbstverständlichkeit sind solche Bekenntnisse nach wie vor nicht. Bestätigt wird der Befund durch die Spielergewerkschaft VDV. Nach einer Erhebung von 2020 gibt es nach wie vor erhebliche Defizite. Trotz einiger Fortschritte "bieten im Profibereich nach wie vor nur sehr wenige Klubs eine professionelle sportpsychologische Betreuung an, obwohl sich die Spieler dies wünschen", sagt VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky dem stern.

Zu den Fortschritten gehört, dass sämtliche Nachwuchsleistungszentren der Klubs verpflichtet sind, ihre Talente psychologisch zu betreuen. Die Robert-Enke-Stiftung sieht darin einen der Hauptgründe für den Fortschritt im Umgang mit dem Thema: "Die Talente wachsen damit auf, sich auch über Gefühle mit jemanden austauschen zu können.", teilt Geschäftsführer Jan Baßler mit. Wichtig sei es, dass Depressionen weiter "enttabuisiert" werden. Bekenntnisse wie die von Schmidt helfen dabei.

Hilfsangebote:

Netzwerkinititive "Mental gestärkt"

Robert-Enke-Stiftung mit Hotline

Disclaimer

Nicht jeder mit Autismus ist Elon Musk. Nicht jeder, der eine bipolare Störung hat, ist ein Monster. Und ich bin manchmal depressiv, aber kein Psychiater oder Psychologe. Konkrete Hilfe gibt es hier: Sprechen Sie bei akuten Krisen mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt. Sie erhalten auch Hilfe unter der bundesweiten Nummer des ärztlichen (auch psychiatrischen) Bereitschaftsdienstes 116 117. Rund um die Uhr ist außerdem die Telefonseelsorge unter 0800 - 1110111 oder 0800 - 1110222 erreichbar –  mittlerweile sogar per Mail oder Chat.  Hilfe für Angehörige.

Quellen: "Sportbild", "kicker", "Sky sport" DPA

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