Er ist das, was Michael Ballack nicht ist: Juan Romàn Riquelme verkörpert die klassische Nummer 10. Ein Blick aus seinen meist traurigen Augen, ein Pass, ein Tor - wenn die Stürmer die Vorlage auch zu verwandeln wissen. Er selbst verändert sein schleppendes Tempo nur selten. "Es ist der Ball, der laufen muss, nicht der Spieler", hält Trainer José Pekerman Riquelmes reichlichen Kritikern entgegen.
Riquelme gilt als Liebling des ebenso wie der Profi vom FC Villarreal immer etwas melancholisch dreinblickenden Pekerman. Zusammen holten sie 1997 den WM-Titel bei der U 20. Pekerman war es auch später, der den einst schon als zweiten Maradona gefeierten "Romy" zur festen Größe in der Albiceleste machte. Er gab ihm zudem die Nummer des "Allergrößten" (Riquelme), nachdem 2001 ein Antrag der Argentinier bei der Fifa, die legendäre 10 in den Nominierungslisten überspringen zu können, abgelehnt worden war.
Weder Wortführer noch Torjäger
Der in diesem Frühjahr noch in der Champions League mit einem Elfmeter am deutschen Nationalkeeper Jens Lehmann (FC Arsenal) gescheiterte Riquelme ("Das spielt keine Rolle mehr") trägt in der Auswahl mit Stolz die Nummer, "die allen Argentiniern am meisten bedeutet". Dennoch könnten die Unterschiede zwischen Riquelme und Maradona, der bei seinem Abschiedsspiel 2001 ein Trikot mit dem Namen "Romàn" trug, kaum größer sein wie die zwischen Riquelme und Deutschlands Kapitän Ballack.
Der Argentinier ist weder Wortführer noch Torjäger. In 35 Länderspiel-Einsätzen kam Freistoß-Spezialist Riquelme lediglich auf acht Treffer. Ihm fehlt die Explosivität. Aus Kopfballduellen hält sich der 1,82 m große Spielmacher eher raus.
"Er führt die Mannschaft, bestimmt den Rhythmus"
Riquelmes Mission ist der tödliche Pass. Mit faszinierender Präzision spielt er den Ball in einem seiner genialen Momente zwischen zwei, drei Abwehrspielern hindurch. "Wenn er in Brasilien spielen würde, wäre er Riquelminho und der Größte oder der Zweitgrößte der Welt", glaubt Pekerman. "Er führt die Mannschaft, bestimmt den Rhythmus", betont Mitspieler Maxi Rodriguez.
Für Riquelme sind diese verbalen Streicheleinheiten wichtig. "Ich muss mich wohl fühlen und brauche immer jemanden, der mir auf die Schulter klopft", gibt Riquelme zu. Auch auf dem Platz müsse er Spaß haben, sagt der Spieler, der zu seinen Zeiten beim ehemaligen Maradona-Club Boca Juniors alles gewann, was der Vereinsfußball zu bieten hat. "Fußball ist ein Spiel für mich, und genau das versuche ich zu leben."
Nur sieht es ihm der Zuschauer nicht an. In ganz seltenen Momenten huscht der Ansatz eines Lächelns über das Gesicht des 28-Jährigen, über dessen Rolle in der Nationalmannschaft in argentinischen Medien insbesondere vor dem Gipfeltreffen der "Gauchos" mit Gastgeber Deutschland wieder heftig diskutiert wird. Sie befürchten, dass die Mannschaft zu abhängig von der Inspiration des Mannes mit der Büßermiene sein könnte. "Ballack oder Riquelme werden den Rhythmus bestimmen", glaubt auch der 86er Weltmeister-Coach Carlos Bilardo. Hauptrolle oder doch nur Statist? Die Antwort kann nur Riquelme geben. Und er wird es nicht mit Worten versuchen.