Wieder zurück in der Hauptstadt, wieder zurück in Berlin. Hier, wo das Wetter immer extremer scheint als anderswo in der Republik. Im Winter im Mittel fünf Grad kälter, im Sommer mindestens gefühlte sechs Grad wärmer als in Hamburg, Köln oder München. Der Tag vor dem Spiel der deutschen Nationalelf gegen Ecuador bricht in Berlin alle Rekorde. 36 Grad, die Anzeige in meinem Auto ächzt, draußen flimmert der Asphalt, die Straßen nicht nur zur Rushhour knallevoll. Jetzt schön die Klimaanlage hochjazzen, die Füße für drei, vier Minuten stillhalten und warten bis der erste Schub kalter Luft durch die Lüftungsdüsen entweicht.
Vorsicht Satire!
In den Einträgen der Reihe "Bellstedt haut drauf" werden einzelne, persönliche Beobachtungen sprachlich zugespitzt. In keinem Fall handelt es sich um abgewogene und fundierte Sachurteile. Natürlich hält die Fifa keine Sklavinnen, gibt es sachkundige und hilfsbereite Taxifahrer, jede Menge fußballbegeisterte Berliner und in Dortmund steht nicht nur mehr als ein Fast-Food-Restaurant, es sprießen dort auch grüne Bäume in Hülle und Fülle.
Liebe zur Kälte-Technik
Natürlich, bis es soweit ist, hab ich mein Polo-Shirt dreimal durchgeschwitzt. Aber was soll's, danach ist's umso schöner. Auch wenn die Gefahr, sich eine schwere Erkältung einzufangen, nie so groß war wie jetzt. Ohne meine treue Klimaanlage wäre ich bei meiner Tour durch WM-Deutschland bestimmt schon mehr als 20 Mal wegen Hitzeschlags umgekommen. Ja, man kann sagen, dass das Teil mir ans Herz gewachsen ist, ich sogar manchmal die Konversation mit ihm suche. Antworten bekomm ich nie, dafür aber immer angenehm kühl temperierte Luftmassen.
Ich befinde mich auf dem Weg ins Olympiastadion, muss dort noch schnell mein Ticket für das Spiel abholen. Am Himmel verdichten sich die Gewitterwolken, was auf ein nahendes Unwetter hindeutet. Jetzt noch schnell den elendig langen Fußmarsch durch die Schwüle hinter mich bringen, Karte sichern und dann aber wieder nix wie rein ins Auto. Ich lache innerlich noch kurz die anderen Journalisten aus, die wie träge Schmeißfliegen an der Bushaltestelle warten und sich bestimmt schon alle aufs definitiv nicht klimatisierte Stangentaxi freuen.
Qualmender Gastfreund
Aber ganz so abgebrüht bin ich dann doch nicht. Ich erbarme mich, einen afrikanischen Kollegen aus Ghana (Jahresmittel 27,5 Grad) mit zurück in die Stadt zu nehmen. Der hatte mich vorher höflich gefragt. Ins Auto eingestiegen stöhne ich über das nun wieder unmenschlich aufgeladene Cockpit, der Redakteur von der "Ghana Review International" kümmert sich darum herzlich wenig. Kunststück, der ist die Temperaturen ja auch schließlich gewöhnt. Während sich mein Kollege auf dem Beifahrersitz genüsslich eine Kippe anzündet, zerfließe ich förmlich, lasse mir aber selbstverständlich nichts anmerken. Ist ja gleich alles vorbei, Lüftung läuft bereits auf höchster Stufe, die Klimaanlage powert. Gleich wird hier drinnen schneien, dem Typen zeig ich mal, wo Bartel den Most holt.
Gefangen in der Kältekammer
Und Bingo! Nach zehn Minuten hab ich die gewünschte Kühlschranktemperatur im Innenraum der Karre wieder hergestellt. Ich krieg davon kaum noch was mit, bin längst abgehärtet. Aber der Kollege zieht sich doch tatsächlich einen Pulli über und räuspert sich. Du Weichei, denke ich, das musst du doch abkönnen. Zack, lege ich gleich noch ne Schippe drauf. Jetzt geht es tatsächlich nicht mehr kälter. John, so sein Name, mag nun nicht mehr. Er bittet mich anzuhalten und ihn rauszulassen. Es sei aber noch ein gutes Stück bis Mitte und ich würde ihn dort gerne absetzen, biete ich ihm an. Keine Chance: Mit einem Niesanfall feinster afrikanischer Güte entlasse ich den armen Mann aus meinem eisgekühlten Mobil. Die Jungs aus Ghana sind auch nicht mehr das was sie mal waren.