Fußball-WM: Gruppe G Brasilien nimmt Anlauf auf die "Hexa"

Rhythmus, Leichtigkeit, Fußball wie Samba-Musik - das verbindet man mit dem brasilianischen Nationalteam. Doch zuletzt - vor allem bei der WM 2006 - hatte sie damit wenig Erfolg. Nun hat Trainer Carlos Dunga der "Seleção" Disziplin beigebracht. Der sechste Titel, die "Hexa", soll endlich wahr werden.

Geheimtraining, Diskussionen um Nominierung und Spielweise, Zweifel an Kakás Form - jetzt müssen Carlos Dunga und die "Seleção" Farbe bekennen. 190 Millionen Brasilianer und der Rest der Fußball-Welt blicken heute Abend (20.30 Uhr/live im stern.de-Ticker in den Ellis Park von Johannesburg. Gegen die Nobodys von Nordkorea erwarten alle einen Auftaktsieg vom selbst ernannten Turnierfavoriten. "Wir haben die besten Abwehrspieler der Welt, ein starkes Mittelfeld und Stürmer, die jeden Moment ein Spiel entscheiden können", sagt Superstar Kaká von Real Madrid. "Wie wir auftreten, wird man von Spiel zu Spiel sehen. Aber am Ende wollen wir den WM-Pokal hochhalten."

Mit seiner Vorliebe für disziplinierte Fußball-"Arbeiter" und seiner restriktiven Pressepolitik hat sich Dunga noch mehr unter Druck gesetzt. Bei einer Pressekonferenz am Montagabend zeigte sich der 46-Jährige genervt von der Medienkritik. "Wir haben mehr als 100 Tore geschossen, auf irgendeine Weise müssen wir ja kreativ gewesen sein", meinte der 46-Jährige ironisch zu seiner Bilanz seit dem Amtsantritt 2006. "Und wir haben nur 30 kassiert. Da gibt es ein Gleichgewicht." Dem Ex-Profi des VfB Stuttgart und Kapitän der WM-Elf von 2002 wird in der Heimat vorgeworfen, das "jogo bonito" (schöne Spiel) zu vernachlässigen und sich zu sehr auf die Defensive zu konzentrieren.

Schluss mit dem "Zirkus Seleção"

Für Dunga ist es die WM-Premiere als Coach. Der 46-Jährige ließ sich in den letzten Tagen im Quartier der Brasilianer, einem luxuriösen Golfhotel in Johannesburgs Stadtteil Randburg, kaum blicken und ließ mit Vorliebe hinter verschlossenen Türen trainieren. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit einer Woche meinte er: "Die Deutschen sind während der WM-Qualifikation auch kritisiert worden - und gestern haben sie vier Tore geschossen." Von Anfang an, klagte er, sei er von den Medien angegangen worden: "Sie können mich 24 Stunden hintereinander kritisieren und ich kann mich keine Minute verteidigen."

"Nach dem was 2006 passiert ist, müssen wir uns selbst schützen", erklärte Dunga seine Abschottungspolitik. Nichts mehr zu sehen ist vom "Zirkus Seleção" um Ronaldinho, der sich 2006 in Deutschland bereits im Viertelfinale gegen Frankreich sang- und klanglos verabschiedete. Unter Dunga gewann der fünfmalige Weltmeister die Copa América 2007 und den Confederations Cup 2009 - genau auf dieses erfolgreiche Team vom vergangenen Jahr setzt der Coach nun. "Unsere Nationalmannschaft ist ausgeglichen und das ist wichtig im Fußball", sagte Kaká, der einzige verbliebene internationale Topstar, den jedes Kind auf der Welt kennt. Brasilien habe "kein anderes Ziel" als die "Hexa", den sechsten WM-Titel: "Wir haben eine Geschichte, der wir gerecht werden müssen."

Das bisher älteste WM-Team Brasiliens

Mit einem Durchschnitt von 29 Jahren und drei Monaten stellt Brasilien das älteste Team der WM-Geschichte. Mittelfeldspieler Gilberto Silva, neben Kaká und Lucio der einzige Verbliebene von 2002, vergleicht das jetzige Team mit jenem von damals: "Diese Mannschaft hat etwas Ähnliches: Wenn ich sage, dass wir Weltmeister werden, müsste ich Lotto spielen. Aber was ich weiß, ist, dass alle unbedingt wieder Weltmeister werden wollen. Hier ist niemand für einen Ausflug hergekommen", sagte der 33-Jährige von Panathinaikos Athen.

Diese Einstellung verkörpert vor allem Kapitän Lucio. "Er ist ein Pferd", meinte sein Nebenspieler Juan (früher Bayer Leverkusen) über den langjährigen Bayern-Profi. Lucio, Torwart Júlio César und Außenverteidiger Maicon vom Champions-League-Sieger Inter Mailand haben schon gegen den FC Barcelona und Bayern München bewiesen, wie sie verteidigen können. Im Angriff sollen Confederations-Cup-Torschützenkönig Luis Fabiano vom FC Sevilla und der torhungrige Robinho wirbeln. Grafite vom VfL Wolfsburg bleibt nur die Jokerrolle.

Superstar Kaká kämpft um seine Form

Aber alles hängt vor allem an Kaká: Der 65-Millionen-Mann, bei Real dieses Jahr mehr in ärztlicher Behandlung als auf dem Rasen, kämpft um seine Form. "Er ist gut drauf und wir sind alle sicher, dass er eine großartige WM spielen und der "Seleção" helfen wird", sagte Maicon. Die große Unbekannte ist auch der Gegner. "Wir wissen wenig über Nordkorea", räumte Mittelfeldspieler Felipe Melo ein.

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