Verraten Sie es uns gleich zu Beginn: Wie sieht er aus, der ideale Fußballschuh?
Am wichtigsten ist eine gute Traktion, also ein guter Halt auf dem Rasen. Der hängt vom Design der Stollen und Nocken ab. Auch muss der Schuh schnelles Reagieren ermöglichen. Dafür ist es wichtig, dass er aus sehr leichten Materialien wie etwa Karbon konstruiert ist, irgendwann vielleicht nur noch 150 Gramm wiegt. Top-Spieler wie Cristiano Ronaldo spielen bereits mit einem Karbon-Schuh, der diesen Eigenschaften nahekommt. Der Schuh der Zukunft wird noch einiges mehr können: zum Beispiel genauer schießen als die heutigen Modelle.
Aber hängt die Genauigkeit beim Schießen nicht vor allem vom Spieler ab?
Das sind ja alles gute Spieler, es kommt auf den feinen Unterschied an. Und der hängt eben doch wesentlich vom Schuh ab, wie wir mit der Schussgenauigkeitsforschung entdecken. Über 100 Testspieler haben in mehr als 30000 Versuchen auf eine elektronische Zielscheibe geschossen. Dabei hat sich gezeigt: Ein Schuss ist dann besonders präzise, wenn der Schuh gleichmäßig im Ball versinkt. Dann ist eine homogene Druckverteilung zwischen Schuh und Ball vorhanden.
Und wie geschieht das?
Wenn wir die anatomischen Unebenheiten des knöchernen Fußes, durch die im Schuh beim Schuss eine ungleiche Druckverteilung entsteht, über die Schuhkonstruktion auszugleichen versuchen. Etwa, indem wir gewisse Stellen mit Gel auspolstern.
Dennoch: Entscheidend bleibt das Ballgefühl. Und das steckt im Fuß, und weniger im Schuh.
Nicht nur! Der Schuh spielt für das Ballgefühl, das man erst seit kurzem erforscht, eine große Rolle. Mit Druck- und Vibrationsgeräten prüfen meine Mitarbeiter, wo der Fuß besonders empfindlich ist. In der Haut sitzen nämlich Mechanorezeptoren, Sinneszellen, die die Information des Ballkontakts an das Gehirn weiterleiten. Sie geben dem Spieler beim Schuss ein Feedback darüber, was er spürte, als er ein Tor geschossen hat.
Der Fuß merkt sich also den letzten erfolgreichen Schuss?
Gewissermaßen ja. Die Sinneszellen erzeugen Erinnerungsbilder, wecken im Spieler das Gefühl, das er beim letzten Treffer hatte. In diesem Moment beginnt das motorische Lernen, entsteht ein Stück mehr Ballgefühl. Unsere Tests zeigen, wo genau am Fuß das passiert. Somit können wir einen Atlas der Hautempfindlichkeit erstellen und dann sagen, wo der Schuh dünner gestaltet oder punktuell sensibleres Material eingebaut werden muss. Damit eben die Sinneszellen den Ball beim Schuss bestmöglich erspüren können. Am Ende werden wir einen Schuh haben, der vorne - je nach Empfindlichkeit - an einer Stelle dünn, und an der nächsten dicker verarbeitet ist.
Was ändert sich, wenn ohne jedes Werkzeug, also barfuß, gespielt wird?
Wir waren selbst überrascht: Barfüßig schießt man schneller. Denn nur so kann man den Fuß voll durchstrecken und den Unterschenkel damit an den Fuß koppeln. Diese Kopplung erhöht die sogenannte effektive Masse, die den Ball beschleunigt. Eine harte Sohle im Schuh behindert ein optimales Durchstrecken des Fußes und führt deshalb zu einer geringeren effektiven Masse. Der Fuß muss also gegen den Schuh arbeiten.
Sollten die Stars also lieber die Schuhe ausziehen?
Nein. Denn barfüßig tut das Schießen weh. Und man hat keine Traktion: Wer barfuß schießt, kann leichter ausrutschen. Das Barfuß-Ergebnis zeigt aber eines: Hersteller sollten dem Fuß im Schuh der Zukunft mehr Streckung erlauben, wodurch höhere Schussgeschwindigkeiten möglich sind.
Zur Person
DPA Der Biomechaniker Ewald Hennig erforscht an der Universität Essen-Duisburg an Sportlern die Mechanik des menschlichen Körpers. Der Wissenschaftler zählt zu den wichtigsten Fußballschuh-Forschern. Viele Modelle gehen auf seine Entwicklungen zurück.
Fußballschuhe Test: Hier geht es zum Fußballschuhe Vergleich.