Wie so viele düstere Prognosen in den letzten sechs Jahren, seit die Weltmeisterschaft nach Südafrika vergeben worden war, so sollte sich auch diese letzte als falsch erweisen. Keine dunklen Wolken, wie es der Wetterdienst vorausgesagt hatte, sondern strahlender Sonnenschein flutete hinein in Soccer City, an diesem ersten Tag der ersten WM auf afrikanischem Boden. Vor allem aber: Wer hätte das vor wenigen Monaten gedacht? Südafrika erreicht gegen Mexiko ein 1:1.
Schon Stunden vor dem Spiel hatte die Begeisterung der Johannesburger die Straßen rund ums Stadion ziemlich lahm gelegt. Geschäftstüchtige hatten derweil gleich neben der Straßen Ihre Stände aufgebaut, brieten "Boereworst", die südafrikanische Variante der Bratwurst, servierten Bier oder Amarula, einen süßen Likör, gewonnen aus der Frucht des heimischen Amarula-Baumes.
Mehr Afro-Pop als Pomp
Auch die Eröffnungsfeier hatte viel von der Begeisterung, die das Land gerade in den letzen Tagen schon gezeigt hatte. Kein perfektes Massenspektakel à la Olympia in Peking, dafür aber mit allem, was Südafrika und den gesamten Kontinent ausmacht. Mirage-Flugstaffeln ähnlich denen, als Nelson Mandela 1994 als Präsident vereidigt wurde, Tänzer, Stoffe, all das ziemlich bunt, ein wenig Feuerwerk, dazu Künstler aus den anderen afrikanischen Teilnehmerstaaten wie ein Khalid aus Algerien oder ein Femi Kuti aus Nigeria. Mehr Afro-Pop als Pomp. Und waren auch manche Ränge, Stau sei Dank, anfangs noch leer, so war ja eigentlich auch das irgendwie südafrikanische Tradition – die Spiele der heimischen ersten Liga füllen sich manchmal ebenfalls erst zur zweiten Hälfte komplett. Auch die Absage Nelson Mandelas nach dem Unfalltod seine Urgroßenkelin am Abend zuvor versetzte der Stimmung keinen sonderlichen Dämpfer.
Entscheidend aber war natürlich: Der Gastgeber hat nicht verloren. Nach einer nervösen ersten Halbzeit, nach vielen Chancen der Mexikaner und kaum welchen für die Südafrikaner, nutzt Sisiphe Tshabalala tatsächlich die erste richtige Möglichkeit des Gastgebers und von da an schien der Bann gebrochen. Bafana war wie ausgewechselt, kombinierte, erspielt sich Chance auf Chance. Doch gerade als die Gastgeber einen Lauf hatten, glichen die Mexikaner plötzlich aus. Danach ging’s hin und her. Und fast hätte der Gastgeber am Ende tatsächlich noch gewonnen – hätte Katlego Mphela nach weiten Abschlag und anschließendem Spurt seinen Abschluss nicht an Pfosten gesetzt.
Vuvuzelas schmerzen in den Ohren
Alles perfekt also? Fast. Wäre da nicht die Vuvuzela. Was einzeln lustig klingt, schmerzt tatsächlich in tausendfacher Vermehrung in den Ohren. Es ist ja nicht so, dass die Vuvuzela seit Generationen im südafrikanischen Fußball verwurzelt wäre. Bis Mitte der Neunziger waren auch die Stadien des Gastgeberlandes durchdrungen von Fan-Gesängen. Wo sich heute nur ein Geräuschteppich ausbreitet, gleich tausend sexuell verstörten Jungelefanten, wogte dereinst die Stimmung mit den Angriffen, den Freistößen und Ecken. Das alles aber ist meist Vergangenheit.
Die Entscheidung des Weltfußballverbandes Fifa, die Vuvuzela zuzulassen, scheint vermeintlich eine Tradition zu ehren – tatsächlich aber stärkt sie nur einige Tröten-Anbieter, die mit ihren Plastikhörnern eine südafrikanische Fan-Tradition zerstört haben. Welche Stimmung entstehen kann ohne Vuvuzelas, hatte das Eröffnungskonzert in Sowetos Orlando-Stadion einen Abend zuvor gezeigt. Dort jubelten 30.000 ausgelassen und immer sangen die Fans zwischen den Künstlern. Dort waren Vuvuzelas verboten.
Vor einigen Wochen hatte Südafrikas Trainer Carlos Albert Perreira gefordert, er wolle die Vuvuzelas laut und kräftig hören. Quasi als zwölften Mann. Den zumindest bekam er in Bestform. Aber eigentlich viel wichtiger: Immerhin ein Unentschieden obendrein.
P.S.: Diskutieren Sie das Thema auf Fankurve 2010 der Facebook-Fußballfanseite von stern.de.