Für Viele ist der Fall klar: Mesut Özil ist der Sündenbock für die verkorkste WM. Nicht nur das Erdogan-Foto wird ihm zur Last gelegt, auch dass er - anders als sein Teamkollege Ilkay Gündogan - keinerlei Erklärungsversuch nachgeschoben hatte, wird gegen ihn verwendet. Für Teammanager Oliver Bierhoff Grund genug, um Özil in einem Interview nachträglich die Verantwortung für das desaströse Abschneiden der DFB-Elf zuzuschieben.
Ins Bild passt scheinbar auch, dass sich Özil nach dem Vorrunden-Aus rar gemacht hat und in der Öffentlichkeit nicht redet. Das tut jetzt ein anderer: Mustafa Özil, Mesuts Vater und bis Oktober 2013 auch sein Berater. Damals kam es zum Krach, seitdem haben sie nur noch sporadisch Kontakt miteinander. Das hindert Mustafa Özil aber nicht daran, in der "Bild am Sonntag" (kostenpflichtiger Content) das Verhalten seines Sohnes zu interpretieren und den DFB scharf anzugreifen.
Mustafa Özil sagt über …
… das Erdogan Foto: "Ich habe gedacht: Das war jetzt keine so gute Idee. Ich habe aber nicht gedacht: Oha, jetzt bricht alles zusammen. Es war ja nicht das erste Foto von Mesut mit Erdogan. Ich wusste, dass das kein politisches Statement von ihm war oder Ähnliches. Es war Höflichkeit. Sie müssen wissen: Mesut ist ein schüchterner Mensch, fast scheu. Wie hätte er dieses Foto ablehnen können, wenn ein Mann wie Erdogan ihn darum bittet? Das hätte Mesut als extrem unhöflich empfunden."
"Er ist geknickt. Er ist enttäuscht"
… das Schweigen seines Sohnes: "Er ist geknickt, enttäuscht und gekränkt. Und ja: auch beleidigt. Die eigenen Fans haben ihn vor der WM beim Länderspiel in Österreich ausgepfiffen. Das kann er nicht verstehen … Es hieß immer: Wenn wir gewinnen, gewinnen wir zusammen. Aber wenn wir verlieren, verlieren wir wegen Özil? Er wird nun ausgepfiffen und als Sündenbock hingestellt – da verstehe ich schon, dass er beleidigt ist."
… die Schuldzuweisung von Oliver Bierhoff: "Diese Aussage ist eine Frechheit. Sie dient meiner Meinung nach nur dazu, die eigene Haut zu retten. Der DFB hat es versäumt, ein klares Krisenmanagement zu machen. Jetzt zu sagen, man hätte überlegen müssen, auf Mesut zu verzichten, ist ja wohl ein schlechter Witz. Löw hat doch damals ganz klar gesagt, er habe keine Sekunde darüber nachgedacht, Mesut und Ilkay zu Hause zu lassen. Und nun sagt Bierhoff so etwas? Also bitte…"
Im Video: "Mesut Özil: Darum singt er vor Spielen nie die Nationalhymne"
"Das war nicht professionell"
… das Verhalten des DFB: "Ich hätte mir gewünscht, dass sie zusammen mit den Spielern eine Strategie entwickeln und dann meinetwegen mit einem gemeinsamen Interview oder einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit gehen. So hatte man das Gefühl, der eine wusste nicht, was der andere tut. Das war nicht professionell. Darüber bin ich enttäuscht.“
… die Zukunft seines Sohnes in der Nationalmannschaft: "Sehr schwere Frage. Er muss das selbst entscheiden. Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich sagen: Schönen Dank, aber das war es! Dafür ist die Kränkung dann doch zu groß. Und wer weiß denn, was beim nächsten Spiel ist? An Mesuts Stelle würde ich zurücktreten. Aber das ist nur meine ganz persönliche Meinung."
Im Video: "Cem Özdemir bezieht klare Worte zu Özils und Gündogans Treffen mit Erdogan"