WM 2022 Keine 70 Euro am Tag: Katar streicht eingeladenen Fans das Taschengeld

Fußball-WM in Katar: Fans des argentinischen Teams ziehen durch Doha
Fans des argentinischen Teams ziehen durch Doha: Vor der WM in Katar gab es zuletzt immer wieder Vorwürfe, dass die Gastgeber Fans für die Stimmung eingekauft hätten.
© Stuart Franklin / Getty Images
Mit einem Fan-Netzwerk bringt Katar Anhänger aus 59 Ländern kostenlos zur Fußball-Weltmeisterschaft. Einen Tag vor Beginn werden den Fans aber finanzielle Mittel gestrichen.

Einen Tag vor Beginn der Fußball-WM macht Katar weiter Nägel mit Köpfen. Nachdem am Freitag der Ausschank von Alkohol rund um die Arenen verboten wurde, strich das Organisationskomitee nun eigens für die WM eingeflogenen Fans das Taschengeld. Wie die "Sportschau" und der "Guardian" übereinstimmend berichten, seien die teilnehmenden Fans kurz vor ihrer Anreise darüber informiert worden.

Das Organisationskomitee schob die Schuld dabei der Berichterstattung in den Medien in die Schuhe. "Wir wollen die Fans vor der fehlerhaften Behauptung schützen, 'bezahlte Fans' für die WM" zu sein", heißt es in einer am Dienstag versandten Mail. Deshalb habe man sich entschlossen, das tägliche Taschengeld zu streichen. "Das Taschengeld war als Unterstützung für die eigene Geldbörse gedacht, um sich täglich Essen und Getränke während des Aufenthalts zu kaufen", heißt es weiter. Laut "Sportschau" sollten die sogenannten "Fan Leader" bei der Ankunft eine aufgeladene Visa-Karte erhalten, das Taschengeld sollte 70 Euro pro Tag betragen. Anhänger, die für die kompletten 29 Tage in Katar geblieben wären, hätten somit rund 2000 Euro Taschengeld zur Verfügung gehabt – neben der kostenlosen Unterkunft, Anreise und Tickets zu Spielen. Laut der Mail habe Katar immer darauf verwiesen, dass die Fans auch ohne Taschengeld über genügend eigene finanzielle Mittel verfügen sollten.

Fußball-WM: Katar hat Fans aus 59 Ländern eingeladen

Erst vor rund drei Wochen war bekannt geworden, dass Katar im Rahmen im Rahmen des "Fan Leader Networks" rund 450 Fans aus 59 Ländern zur WM eingeladen hat. Als Gegenleistung für die Reise wurde ihnen ein Verhaltenskodex vorgelegt, der unter anderem die positive Bewertung der Aktivitäten rund um die WM und das Gastgeberland nahegelegt. Ebenso sollten Kommentare, die sich kritisch mit Katar auseinandersetzen, an das Organisationskomitee gemeldet und anschließend gelöscht werden. (Den Verhaltenskodex können Sie hier nachlesen)

Ronan Evain, Vorsitzender der Fan-Organisation Football Supporters Europe, zeigte sich wenig erstaunt über die Änderung. "Wer hätte gedacht, dass man einem  autoritären Regime mit einer alarmierenden Bilanz bei den Rechten für Arbeitnehmern nicht trauen kann? Ich denke, das ist das, was man erwarten kann, wenn man eigentlich alle vier Tage das durchschnittliche katarische Mindestgehalt bekommen sollte – ohne eigentlich was dafür zu machen", sagte Evain dem "Guardian". Gleichzeitig sieh Evain die Änderungen kurz vor dem WM als Warnsignal. "So kurz vor dem Start der WM betreten wir damit ein gefährliches Territorium – eines, bei dem Versicherungen nicht mehr zählen. Das ist extrem besorgniserregend", schrieb Evain auf Twitter.

DFB-Fanclub unterstützt Reisen nach Katar nicht

Der "Fan Club Nationalmannschaft" des Deutschen Fußball-Bundes unterstützt das Programm nicht. Martin Endemann vom europäischen Fan-Bündnis Football Supporters Europe hatte der Deutschen Presse-Agentur Anfang November gesagt: "Dass Katar kurz vor Turnierstart noch Fans einkauft, spricht auch dafür, dass die Begeisterung unter aktiven Nationalmannschafts-Fangruppen in vielen Ländern eher gering ausgeprägt ist. (...) Diese Leute darf man nicht als repräsentative Fanvertreter betrachten, sondern höchstens als freiwillige Helfer für die Fifa und das Organisationskomitee."

Das Organisationskomitee teilte auf Anfrage mit: "Alle Fans, die Katar als unsere Gäste besuchen, tun dies freiwillig und unentgeltlich." Die Kosten für Flüge, Unterkunft und Verpflegungskosten würden zwar übernommen, dies sei aber nicht als "Bezahlung für Dienstleistungen" zu betrachten. Es handle sich nicht um eine illegale Aktion. Zu den Berichten zum Taschengeld äußerte sich das OK nicht konkret.

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© Screenshot TikTok
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Auch Fifa-Boss Gianni Infantin bezog am Samstag Stellung. Zuletzt waren vermehrt Videos im Internet aufgetaucht, in denen vermeintlich aus Indien stammende Fake-Fans in den Trikots von Deutschland, Argentinien oder England auf den Straßen Dohas feierten. Dies wurde dadurch bekräftigt, dass auch Social-Media-Accounts wie "England Fans Qatar" oder "Germany Fans Qatar" auftauchten. Das Magazin "11 Freunde", das ebenso wie der stern zu Bertelsmann gehört, warf hingegen die (nicht unberechtigte) Frage auf, ob es sich nicht einfach auch um Fan-Clubs der jeweiligen Nationen handeln könnte. "Wenn einer aussieht wie ein Inder, darf er nicht für England oder Spanien jubeln? Das ist Rassismus", warf Infantino den Kritikern vor.

mit dpa

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