In Deutschland und anderen europäischen Ländern ist die Kritik an der Weltmeisterschaft in Katar groß. Initiativen wie Boycott Qatar 2022 rufen dazu auf, das Turnier komplett zu ignorieren. Aber nicht alle teilen den kritischen Blick auf das arabische Land uneingeschränkt, sondern mahnen zu etwas mehr Zurückhaltung angesichts eigener Missstände. Otto Addo, gebürtiger Hamburger, Ex-Bundesliga-Profi, Nachwuchstrainer bei Borussia Dortmund und gleichzeitig Nationaltrainer von Ghana zum Beispiel vertritt eine andere Auffassung.
Der 47-Jährige hält die europäische Kritik an der Fußball-WM für scheinheilig und wirft insbesondere Deutschland eine Doppelmoral vor. "Ich finde es extrem wichtig, dass die Missstände in Katar angesprochen werden, insbesondere wenn Menschen sterben", sagte Addo der Deutschen Presse-Agentur dpa vor dem Start des Turniers am Sonntag. "Nichtsdestotrotz ist das eine sehr europäische Sichtweise, wenn man denkt, dass man selber viel besser ist als Katar", sagte Addo weiter.
Otto Addo: Vor den Küsten der EU sterben tausende Menschen
"Vor der Küste der EU, zu der Deutschland ja auch gehört, sterben jeden Tag Menschen, weil sie nicht aufgenommen werden. Und sie flüchten aus wirtschaftlichen Gründen, die wir mitverursachen und in der Historie mitverursacht haben", schimpfte der 47 Jahre alte gebürtige Hamburger. "In Afrika sterben jeden Tag Tausende Menschen an Hunger und in Deutschland werden täglich Tonnen an Lebensmitteln weggeschmissen."
Laut Addo, der auch als Coach der Top-Talente von Borussia Dortmund arbeitet, sei WM-Kritik in Ghana "gar kein Thema", da "man ganz viele andere Probleme" habe. Der frühere Bundesliga-Profi appellierte an alle WM-Kritiker bei allen berechtigten Hinweisen: "Nur sollte man auch vor der eigenen Haustür kehren."