Die Spieler der iranischen Fußball-Nationalmannschaft haben beim zweiten WM-Spiel gegen Wales während der Hymne mitgesungen. Alle elf Akteure bewegten am Freitag in Al-Rajjan relativ regungslos und ohne große Leidenschaft ihre Lippen. Im Publikum war ein Fan mit Iran-Fahne zu sehen, der währenddessen bitterlich weinte. Bei der ersten WM-Partie gegen England am Montag hatten die Profis noch darauf verzichtet, die Hymne zu singen. Von den Rängen kam vor beiden Spielen großer Lärm. In den vergangenen Tagen war über drohende drastische Sanktionen und einen erhöhten Druck auf die Profis von Seiten der Regierung berichtet worden.
Irans Gänsehaut-Moment: Fans demonstrieren auf den Rängen – Spieler schweigen bei Hymne

Spielern sind mögliche Konsequenzen bewusst
Der Iran wird seit Wochen von den schwersten Protesten seit Jahrzehnten erschüttert. Der Tod einer jungen Frau im Polizeigewahrsam hatte diese ausgelöst, der Sicherheitsapparat reagierte mit äußerster Härte. Das Entsetzen über die vielen getöteten Demonstranten war groß. "Ich schäme mich (als Iraner), wenn ich die Bilder der letzten Tage sehe", hatte Stürmer Mehdi Taremi auf Instagram dazugeschrieben. Gewalt sei inakzeptabel und werde die Probleme des Landes definitiv nicht lösen.
Den Spielern sind mögliche Konsequenzen in ihrer Heimat bewusst. Gleichzeitig hatten viele Anhänger der Protestbewegung Irans Team Melli in den vergangenen Wochen scharf kritisiert. Vor allem ein Foto mit Präsident Ebrahim Raisi in ausgelassener Stimmung hatte kurz vor Abflug für Empörung gesorgt. Zu spät und zu klein sei die Aktion dann auf dem Spielfeld gewesen, bemängelten die Kritiker.
Menschenrechtler: Mindestens 445 Demonstranten im Iran getötet
Bei den Massenprotesten im Iran sind nach Einschätzungen von Menschenrechtlern bislang mindestens 445 Demonstranten getötet worden. Unter den Toten seien auch 63 Kinder, berichtete die Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) mit Sitz in den USA am Freitag. Mehr als 18.000 Menschen seien zudem festgenommen worden. Die Proteste erfassten seit ihrem Beginn Mitte September demnach mehr als 150 Städte im Land. Die Organisation verzeichnete außerdem den Tod von 57 Sicherheitskräften.