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Volleyball "Schlimmste und schönste Zeit meines Lebens"

Für ihn ist der Olympia-Sieg nur eine kurze Ablenkung vom Horror-Erlebnis: Während US-Volleyball-Trainer Hugh McCutcheon noch um seinen in Peking ermordeten Schwiegervater trauert, holte seine Mannschaft Gold im olympischen Volleyballturnier.
Von Christian Ewers, Peking

Die Mannschaft war nur noch ein hüpfendes Knäuel, umwickelt von Fahnen, die auf den Schultern der Spieler lagen. Sie hatten gewonnen, 3:1 gegen Brasilien, den großen Favoriten, den Weltmeister, den Olympiasieger von Athen. Sie hatten Gold, das erste seit 20 Jahren. Doch Hugh McCutcheon, Trainer der amerikanischen Volleyballer, mochte nicht mitfeiern. Er stand an der Seitenlinie mit verschränkten Armen, und es dauerte Minuten, bis er aufs Spielfeld ging und einigen seiner Jungs einen Klapps gab. Dann ging McCutcheon aus der Halle, durch einen Nebeneingang, er schlug die Hände vors Gesicht, den Kopf gesenkt, und konnte doch seine Tränen nicht verbergen. Erst kurz vor der Siegerehrung kam McCutcheon zurück. Er sagte: "Das hier war die schlimmste Zeit meines Lebens und die schönste."

Die schlimme Zeit ist für McCutcheon nicht beendet mit dem Olympia-Sieg der US-Volleyballer. Sein Schwiegervater Todd Bachmann war einen Tag nach der Eröffnungsfeier ermordert worden in Peking. Erstochen von einem offenbar geisteskranken Chinesen, der Bachmann und seine Frau Barbara während einer Sight-Seeing-Tour ohne erkennbaren Grund attackiert hatte. Barbara Bachmann überlebte schwer verletzt, sie wird mittlerweile in der Heimat, in der Mayo Clinic Rochester, Minnesota, behandelt.

Die Initialien der Opfer auf den Schuhen

McCutcheon hat nicht viel gesprochen über das Attentat, dessen Zeuge seine Ehefrau Elisabeth Bachmann war, eine ehemalige Volleyball-Nationalspielerin. Elisabeth Bachmann hat ihren Vater sterben sehen, und McCutcheon war in den Tagen danach bei ihr, so lange es ging. Drei Vorrundenspiele setzte McCutcheon aus, dann kam er zurück, auch weil seine Schwiegermutter zu ihm sagte: "Warum lässt du deine Mannschaft allein?"

Die Mannschaft war in Gedanken bei ihrem Trainer, als der im Krankenhaus war. Die Spieler schrieben sich "TB" und "BB" auf ihre Schuhe, die Initialien der Opfer. Als McCutcheon zurückkam, sagte Lloy Ball, der Zuspieler: "Hugh war während der letzten vier Jahre bei all unseren großen Schlachten dabei. Er ist unser General, unser Kapitän. Es wäre nicht richtig, ihn hier nicht dabei zu haben."

"Wir wissen, dass wir immer zurückkommen können"

Im Finale konnten die Amerikaner ihren Coach gut gebrauchen. Weniger als Strategen – die Taktik liegt sowieso in den Händen von Lloy Ball, einem der weltbesten Zuspieler. McCutcheon beruhigte seine Mannschaft in den Auszeiten lediglich, er brauchte dazu nicht viele Worte, meist machte er nur dämpfende Handbewegungen. Gelassenheit war es auch schließlich, die dem Team USA den Sieg brachte. Athletisch und technisch gibt es kein großes Gefälle zwischen Amerikanern und Brasilianern. Die Mannschaft von Bernado Rezende springt etwas höher, die Jungs von Hugh McCutcheon schlagen etwas härter. Cooler, abgebrühter sind jedoch die Amerikaner. Giba, Starspieler im brasilianischen Team, verlor Ende des vierten Satzes die Nerven. Er diskutierte mit dem Schiedsrichter, fauchte seine Mitspieler an und schlug drei Bälle in Folge ins Netz.

"Wir wissen, dass wir immer zurückkommen und gewinnen können", sagte Hugh McCutcheon. Er hat erfahrene Spieler im Team, Ball ist 36 und nur zwei Jahre jünger als McCutcheon selbst, Mittelblocker Ryan Millar ist 30, ebenso Stanley Clayton, Außenangreifer und bester Mann des Finales.

"Volleyball ist mein Beruf, die Familie ist mein Leben"

Das olympische Turnier, in dem die USA als einziges ungeschlagenes Team triumphierten, war für McCutcheon, den gebürtigen Neuseeländer, nicht mehr als eine Auszeit aus seinem Leben, das er zurzeit einen "Horror-Film" nennt. Er weiß den Olympiasieg wohl einzuordnen. "Volleyball ist mein Beruf", sagt McCutcheon. "Aber die Familie ist mein Leben."

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