Ein sonniger Vormittag auf Fisher Island, Miami. Barbara Becker, 38, rollt in ihrem Schlafzimmer die Gymnastikmatte zusammen, ihr tägliches Pilates-Programm ist beendet. Sie geht barfuß in die Küche, um sich ein Porridge mit frischen Erdbeeren zuzubereiten. Später wird sie ihre Söhne Noah und Elias von der Schule abholen. Sie hat gute Laune, sieht glänzend aus, fühlt sich besser als je zuvor.
Natürlich hatte die ehemalige Frau des ewigen Tennishelden und Szenegängers Boris Becker nach einer Scheidung mit viel öffentlichem Aufsehen gute Gründe, nicht in Topform zu sein. Es war nicht weiter verwunderlich, dass sie einen "ordentlichen Durchhänger" hatte, wie sie heute zugibt. Offenherzig beschreibt sie den Weg aus diesem Tief in ihrem Buch "Mein Pilates Programm". Barbara Becker sagt: "Für mich ist Pilates mehr als ein Sport. Mit diesen Übungen habe ich mich aus meiner Lebenskrise herausgeturnt." Nun sei sie tatsächlich so fit, wie sie aussehe. Es klingt stolz, es klingt selbstbewusst.
Große Veränderungen beginnen ja oft mit kleinen Begebenheiten, die aber so tief treffen, dass einem sofort bewusst wird: Jetzt musst du wirklich was tun. Es war vor drei Jahren, als Barbara Becker mit Noah im Garten herumkickte und er aus Versehen den Ball zu weit schoss. Der Junge, damals acht Jahre alt, sagte: "Mama, lass mal, ich hol den Ball schon für dich, du brauchst nicht zu laufen." Es war ein Schock für Mutter Becker, dass ihr kleiner Sohn sie schonen wollte. "Ich höre ja immer: Ach die, die hat ja so viel Zeit", erzählt Barbara Becker. "Dabei hatte ich jahrelang Rückenschmerzen wegen eines Bandscheibenvorfalls bei Noahs Geburt. Ich sah vielleicht gut aus, war aber eigentlich schlapp. Ich habe wochenlang exzessiv Sport getrieben: Laufen, Spinning, Gewichte heben, und danach fühlte ich mich immer wieder ausgebrannt, konnte nichts machen, ich steckte in einem Körper mit hundert Wehwehchen."
Erst der Rat ihrer Yogalehrerin brachte Barbara Becker auf die rückenschonende Gymnastik, die der Deutsche Joseph Pilates (1880-1967) entwickelte, um seine fragile Konstitution zu verbessern. Dazu lernte er Yoga, asiatische Bewegungskonzepte und klassischen Tanz. Auf der Basis seiner Studien entwickelte der ehrgeizige Kaufmannssohn 500 verschiedene Übungen, die zum Teil jenen Ertüchtigungen gleichen, die man später in den 70ern auf Trimm-dich-Pfaden leisten musste.
"Mein Pilates Programm"
Barbara Becker: "Mein Pilates Programm", Econ, 17,95 Euro, ab 28. Februar im Handel.
1926 wanderte Joseph Pilates nach New York aus und gründete in der Eighth Avenue sein erstes Trainingszentrum, wo sich bald Schauspieler wie Lauren Bacall oder Gregory Peck auf Turnmatten und speziell entwickelten Kraft-Bänken bogen. Pilates war ihr strenger Guru, ein Pionier der Fitnessbewegung. Mitte der 80er Jahre entdeckten Stars wie Kate Moss, Tom Hanks, Madonna oder Dustin Hoffman Pilates neu und sorgten dafür, dass die sanften Kraft- und Dehnübungen in den USA und Europa zum Geheimtipp wurden. Mittlerweile bietet fast jedes Studio Pilates an, es ist gerade in diesem Jahr mal wieder total im Trend. Dieser Sport eignet sich für jedes Alter, Geschlecht und Gewicht; er ist leicht zu lernen und unglaublich effektiv. Geschaffen für Menschen, die mit geringem zeitlichem Aufwand und wenig Schweiß in Form sein möchten. Es geht um Körperbewusstsein statt mechanisches Muskeltraining. Pilates-Anhänger schwören: Nach zehn Sitzungen spürst du den Unterschied, nach 20 siehst du den Unterschied, und nach 30 hast du einen ganz neuen Körper.
Von der 5000 Jahre alten Lehre des Yoga inspiriert, erklärte Pilates den Atem zum Zentrum seiner Methode. Das so genannte Powerhouse liegt in der Körpermitte zwischen Brustkorb und Becken. Alles konzentriert sich auf diesen Bereich, hier werden vier Muskelgruppen aktiviert, hier fließt der Atem. Mit etwas Routine entsteht ein Glückskick, bei Pilates heißt das Flow, der süchtig machen kann. In diesem Flow schwimmt nun auch Barbara Becker und versprüht die Kraft einer Überzeugungstäterin. "Etwas Neues muss ja nicht immer etwas gerade Erfundenes sein", sagt sie. "Für mich war Pilates revolutionär, denn die eigentliche Revolution ist doch für jeden von uns, von der Couch aufzustehen und etwas für sich zu tun. Und zwar regelmäßig."
Der Geist formt den Körper - das war auch der Wahlspruch von Joseph Pilates. Und so ist es schlüssig, dass Barbara Becker in ihrem Buch zu den 14 Pilates-Übungen - der stern stellt sieben davon vor, die ideal für Anfänger und fürs Training zu Hause sind - auch Ratschläge zum positiven Denken und zur Ernährung erteilt, schnelle Rezepte inbegriffen. Um eine schön geformte Silhouette und eine anmutige Haltung zu erlangen, reichen zwei Trainingseinheiten pro Woche aus, sagt Barbara Becker. Sie selbst allerdings trimmt sich fast jeden Tag. Und wenn sie auf der Gymnastikmatte liegt, ist sie meist nicht allein. Neben ihr turnt oft Noah seine Lieblingsübung, Rolling like a ball. Barbara Becker kann mit ihrem Sohn jetzt ganz locker mithalten.