Dariusz Michalczewski Der gezähmte "Tiger"

Die als kompromisslose Draufgänger bekannten Boxer lieferten sich sechs Runden lang einen erbitterten WM-Kampf im Halbschwergewicht. Dann zerschlug Fabrice Tiozzo mit harten Treffern die Comeback-Hoffnungen des "Tigers".

Der "Tiger" faucht nicht mehr. Die erste K.o.- Niederlage von Profi-Boxer Dariusz Michalczewski gegen den französischen WBA-Weltmeister Fabrice Tiozzo Samstagnacht in Hamburg hat endgültig für Klarheit gesorgt: Die Zeit des 36 Jahre alten Halbschwergewichtlers ist nach dem zweiten verlorenen Kampf hintereinander abgelaufen. "Er war ein großer Champion. Er muss sich nichts mehr beweisen. Es gibt für ihn auch ein Leben nach dem Boxen", sprach WIBF-Weltmeisterin und Stallgefährtin Regina Halmich aus, was die meisten unter den 16 000 Zuschauern in der Color-Line-Arena und den 7,87 Millionen an den Fernsehschirmen wohl dachten.

"Zu früh für eine Entscheidung"

Nur der Hauptdarsteller wollte das eindeutige Signal in seinem 50. Profi-Kampf nicht verstanden haben. "Es ist zu früh für eine Entscheidung. Ich werde darüber schlafen und dann mit dem Trainer, Promoter und meiner Familie reden. Man soll nicht gleich danach solche Fehler machen", meinte der in 48 Kämpfen siegreiche Michalczewski und versuchte die Realität nach dem gescheiterten Comeback nach 16-monatiger Pause zu verdrängen. Sein Manager Klaus- Peter Kohl formulierte vorsichtig: "Ich glaube, er weiß selbst, was zu tun ist." Als Trost bleiben dem langjährigen Champion immerhin drei Millionen Euro Börse.

Bis auf die vierte Runde hatte der ein Jahr jüngere Tiozzo den in Sopot bei Danzig lebenden Deutsch-Polen im Griff. Mit Schlagkombinationen ließ er den Ex-Weltmeister nicht zur Entfaltung kommen. In der sechsten Runde wurde Michalczewski, der seinen gefürchteten Jab und die einzigartige Explosivität vergangener Jahre verloren hat, von einer Rechts-Links-Rechts-Stafette zu Boden gestreckt. Nachdem er taumelnd einen weiteren Schlag kassiert hatte, brach der Ringrichter ab.

"Das war so, wie ich mir das vorgestellt hatte", meinte der alte und neue Champion, der noch zwei Stunden vor dem Duell entspannt in der ersten Zuschauerreihe mit seiner Frau Michele gescherzt hatte. "Ich habe mit ihm eine Legende geschaffen. Es gibt keinen Boxer auf der Welt, der Fabrice schlagen kann", versicherte Manager Michel Acaries, dessen Schützling von 49 Kämpfen nur zwei verloren hat.

"Es fehlten die Reflexe"

Es schien, als hätte die Betroffenheit im Michalczewski-Lager längst nicht die Ausmaße wie bei der ersten Niederlage gegen den Mexikaner Julio Cesar Gonzalez im Oktober 2003 erreicht. "Es fehlten die Reflexe bei Dariusz", klagte Jean-Marcel Nartz, Technischer Leiter bei Universum. "Aber Dariusz hat 20 Schlachten in seiner Karriere geschlagen, Tiozzo nur zwei. Da macht sich Substanzverlust eben bemerkbar."

Michalczewskis Erbe im Halbschwergewicht bei Universum wurde von seinem Teamkollegen Zsolt Erdei verteidigt. Der WBO-Weltmeister bleibt nach einem 2:1-Punktsieg gegen den Argentinier Hugo Hernan Garay Titelträger der WBO, deren Gürtel Michalczewski von 1994 bis 2003 besaß. Ein mögliches Duell mit Erdei schließt Tiozzo-Manager Acaries nicht aus: "Warum sollten wir uns nicht noch einen WM-Gürtel holen?"

Über einen weiteren Weltmeister in seinen Reihen durfte sich Universum-Chef Kohl freuen. Der nur 1,62 Meter große Ukrainer Wladimir Sidorenko knöpfte dem Mexikaner Julio Zarate den WBA-Gürtel im Bantamgewicht mit einstimmigem Punktsieg ab. "Wladimir hat gezeigt, wie schön Boxen sein kann", schwärmte Kohl.

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Gert Glaner und Franko Koitzsch/DPA

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