Der Fall Sinkewitz Abgeschirmt von der Oberschwester

Von Martin Sonnleitner
Seit drei Tagen lässt sich der Protagonist der Affäre Sinkewitz im 6. Stock des Hamburger Unfallkrankenhauses Boberg hermetisch abschirmen. Nur hier, auf Station 6B der Abteilung für Handchirurgie, Plastische und Mikrochirurgie - marillenfarbener Wandanstrich - ist der T-Mobile-Profi noch sicher.

Nur eine Glastür zur Station und die Zimmertür Nummer 6, ganz hinten am Ende des Ganges, trennen ihn und die Außenwelt von einer Begegnung. Doch diese wird rigoros verweigert. Die Oberschwester droht Journalisten gar mit dem Sicherheitsdienst. Nur den Zustand des Verletzten nach seiner Nasen-Operation wolle man erfahren. Es ginge ihm gut, so ein Arzt, ansonsten verweist er auf seine Schweigepflicht.

Schweigen, Lügen, Vertuschen, das sind die Worte dieser Tage, Wochen, ja dieses sportepochalen Einschnitts, der Sinkewitz’ schweren Unfall zur Nebensache verkommen lässt. Denn sollten sich die Verdächtigungen des Testosteron-Dopings erhärten, ist der Fall des jungen Hoffnungsträgers vom T-Mobile-Team der berühmte Funke im Pulverfass. Die Konsequenzen für seinen Sport sind gegenwärtig nicht abzumessen. Die Glaubwürdigkeit stünde nach einem Ehrlichkeit demonstrierenden Aufbäumen aller Beteiligten auf dem Tiefpunkt.

Sinkwitz' Mitarbeit immer dringlicher

Sinkewitz’ Fall entwickelt sich zu einer Causa, die nicht nur den Radsport, sondern vor allem auch seine journalistische Aufarbeitung in Deutschland tiefgehend beeinflussen wird. Stein des Anstoßes war der unmittelbar nach Bekanntgabe der erhöhten Testosteronwerte vollzogene Ausstieg von ARD und ZDF aus der aktuellen Berichtserstattung der Tour de France. Die Wellen schlugen hoch. "Ich halte die Entscheidung für völlig überzogen, sie hilft keinem", so ein indignierter Jens Voigt, Interessensvertreter der Radprofis und Fahrer des dänischen CSC-Teams.

In der internationalen Presse hingegen gingen die Meinungen weit auseinander. Vom rein kritisch begleiteten Tour-Ausstieg in der französischen "L’Équipe", bis zum Applaus der "Neuen Züricher Zeitung". Viele Zuschauer scherte der Skandal indes wenig. Während der weitersendende TV-Kanal Eurosport die Einschaltquoten am Mittwoch verdreifachen konnte, ist nun auch Sat.1 nur 24 Stunden nach dem Ausstieg der Öffentlich-Rechtlichen in die Tour-Berichterstattung eingestiegen. Mitnichten eine Rückkehr zur Normalität. Denn beim ganzen Ballyhoo um Pro und Kontra von Berichterstattung ist untergegangen, dass ARD und ZDF ihren Ausstieg mit dem Zusatz versehen hatten: "Bis der Fall geklärt ist". Durch den Sat.1-Deal wird ARD/ZDF die Wiederaufnahme der Berichterstattung nun verwehrt. Erste Konsequenzen also von Sinkewitz’ Schweigen, dessen Mitarbeit, diesen, seinen Fall zu klären, immer dringlicher wird, sonst manövriert er eine sowieso schon suspekte Szene endgültig in Sippenhaft.

"Ungutes Gefühl" bei Klöden und Gerdemann

Die ehemalige Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer, Sylvia Schenk nimmt hingegen kein Blatt vor den Mund und hinterfragt die hehren Ambitionen von T-Mobile. "Das sind lauter schöne Worte, die sie machen, aber mit all ihren Ankündigungen haben sie es nicht geschafft, ihren Laden sauber zu halten", sagte sie der Münchner "Abendzeitung". Dass Sinkewitz neben der drohenden Sperre auch sein Jahresgehalt von ca. 500.000 Euro bezahlen muss, erwartet sie nicht. "Schwachsinn. Er hat ja nicht vor dem 8. Juni, dem Tag der Dopingkontrolle, unterschrieben. Diese Erklärung gilt sicher nicht rückwirkend, juristisch wird das kaum zu halten sein", glaubt Schenk. Ihr Rundumschlag gipfelt in einer indirekten Doping-Bezichtigung von Andreas Klöden und Linus Gerdemann, bei denen sie "ein ungutes Gefühl" hätte. Verdächtigungen als Konsequenz von Sinkewitz’ Schweigen.

Wenn dieser aus seinem Krankenhausfenster im Südosten Hamburgs aus dem Fenster schaut, sieht er viel Grün und eine Serpentine durch eine idyllische Landschaft. Es könnte ein Streckenabschnitt der 11. Etappe vom Donnerstag von Marseille nach Montpellier sein. Doch der Sieger der Deutschland-Tour von 2004 muss aufhören, sich etwas vorzumachen und der Realität ins Auge sehen. Sinkewitz sollte schnellstmöglich reden.

PRODUKTE & TIPPS