Meinung Liebe ARD, bitte vergeigt es jetzt nicht!

Sendung mit der Maus ARD
ARD: Die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands soll sparen. Aber bitte nicht am falschen Ende!
© Christoph Hardt / Imago Images
Auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, besonders auf die ARD, lässt sich trefflich eindreschen. Irgendwas passt irgendwem nie. Jetzt soll gespart werden – aber bitte richtig.

Zum Einstieg mal was Anderes als wohlfeiles Bashing: Wenn es Euch nicht gäbe, müsste man Euch erfinden, liebe ARD. Vielleicht sogar mehr denn je. Denn ihr habt – weitgehend exklusiv – die Chance, der brachialen Ökonomisierung der Medien etwas entgegenzusetzen: ein breit gefächertes, redaktionell unabhängiges Rundfunkangebot, linear und digital abrufbar, welches nicht ohne weiteres dem marktwirtschaftlichen Diktat von Gewinn bei Strafe des Untergangs unterworfen ist. Denn wir alle, die Haushalte und Unternehmen in Deutschland, finanzieren Euch. Plus – begrenzt – die werbende Wirtschaft.

ARD: Die Finanzierungsart macht die Anstalten angreifbar

Die gemeinschaftliche Finanzierung macht Euch zur Zielscheibe. Von politischen Kreisen, denen ihr schon immer ein Dorn im Auge wart. Und von geneigtem Publikum. Natürlich frage ich mich, ob man der Deutschen Fußballliga wirklich 100 Millionen Euro jährlich in den Rachen werfen muss für Übertragungsrechte. Oder gut zehn Millionen per anno für die Shows von Herrn Silbereisen. Allen seien ihre Einnahmen frei von Neid gegönnt. Aber taugen meine Gebühren als Reichmache für eher wenige?

Klar ist: Das Geld, das wir Euch geben können, ist nicht unendlich. Zumal nach drei Jahren Wirtschaftsflaute und satt gestiegenen Lebenshaltungskosten. Deshalb sollt ihr sparen, sagen die Länderparlamente, die Euren Etat genehmigen müssen. Nun kommt es darauf an, wo und wie.

Was weg könnte, und was nicht

In der Idee, Eure Radio-Wellen von 70 auf gut 50 zu reduzieren, liegt eine Chance: die glasklare Positionierung der Sender in der Kakophonie der Podcast-Schwemme. Fünf Wellen je Anstalt sollten genügen, um keinen Programmbestandteil, keine Musikfarbe zu kurz kommen zu lassen. NDR und MDR, deren Sendegebiete sich über vier beziehungsweise drei Bundesländer erstrecken, brauchen womöglich ein, zwei Wellen mehr. Aber wozu braucht der WDR elf und der BR neun davon?

Das diskutierte Zusammenrühren der TV-Sender 3sat und Arte wäre hinsichtlich der Programmvielfalt und des interkulturellen Dialogs mit unseren Nachbarländern Österreich, Schweiz und Frankreich ein herber Schlag, ein wirklicher Verlust. Es mag stellenweise Überschneidungen in der Programmfarbe geben, ja, aber bitte: Tut das nicht! Verwerft auch den Gedanken, den Sender Phoenix ins Internet zu verbannen. Dessen Programmangebot ist einzigartig und sollte allen Menschen ohne Zusatzkosten für Web-Provider zur Verfügung stehen. Nähme der Kinderkanal KiKa den Weg ins Netz, könnte ich das persönlich verschmerzen. Studierende, mit denen ich kürzlich darüber sprach, fänden das traurig. Weil sie mit dem KiKa aufgewachsen sind. Und weil sie vielleicht einmal ihre Kinder damit aufwachsen lassen wollen – ohne dafür ins kommerzialisierte Web zu müssen.

Indes 400 Stunden Wintersport zu senden, aber die Gruppenspiele einer Heim-Weltmeisterschaft der deutschen Handballerinnen nicht, ist mir unbegreiflich. Wobei sich mir ehrlicherweise bislang nie erschlossen hat, warum man stundenlang einen Skisprung-Wettbewerb anschaut. 80-mal derselbe Vorgang. Selbst der Finaldurchgang mit "nur" 30-mal immer gleichem frisst rasch zwei Stunden Sendezeit. Warten auf einen neuen Jens Weißflog, der in den 80er und 90er Jahren olympische Goldmedaillen gewann?

Mehr senden, weniger verwalten

Wenn ihr also sparen müsst, liebe ARD, dann bitte klug: Überdenkt manche Kosten des Hauptprogramms und – langfristig noch klüger – legt die Verwaltungsapparate der neun Anstalten zusammen, wie Fachleute seit Längerem empfehlen. Und vermeidet dabei Bürokratiemonster wie Eure Gebühreneinzugsstelle in Köln. Es würde Eure redaktionelle Autonomie und den Programmauftrag null beschneiden.

Für diesen Auftrag hättet ihr dann genug Geld, um erneut den renommiertesten Fernsehpreis der Welt zu gewinnen: den Emmy Award in New York. Erstmals gewonnen hat ihn die KiKa-Jugendserie "Auf Fritzis Spuren". Eine Koproduktion von MDR, WDR und der Dresdener Balance Film. Sowas könnt vielleicht bald nur noch ihr. Und dafür zahle ich gerne meine Gebühr. Auch, wenn ich Fritzis Spuren gar nicht gefolgt war. Allein ein solches Angebot sind mir meine 18,36 Euro im Monat wert. Zumal ich dafür auch noch Inhalte von ZDF und Deutschlandradio bekomme.

Wer die Rundfunkgebühr als "Zwangsabgabe" tituliert, ist nicht allzu weit entfernt vom extremistischen Propaganda-Begriff "Systemmedien" oder – auf uns in der privaten Medienwirtschaft gemünzt – "Lügenpresse". Liebe ARD, ihr seid bei allen Fehlern, die uns allen zuweilen unterlaufen, eine mediale Errungenschaft der Bundesrepublik. Also vergeigt es jetzt nicht in Sachen Sparen.

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