Doping-Affäre Pechsteins Argumente zweifelhaft

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein hat zu einer groß inszenierten Gegenoffensive ausgeholt, um einmal mehr zu beteuern, mit Doping nichts zu tun gehabt zu haben. Überzeugend war ihr TV-Auftritt mit zwei Experten im Schlepptau nicht - Pechstein lässt Fragen offen und Beobachter zweifeln.

Die große Gegenoffensive von Claudia Pechstein hat die Zweifler nicht von der Unschuld der gesperrten Eisschnelllauf-Olympiasiegerin überzeugt. Die 37-Jährige will in der Berufung vor dem Sportschiedsgerichtshof CAS gravierende Verfahrensfehler der Internationalen Eislauf-Union geltend machen, aber auch inhaltlich gegen den Vorwurf auffälliger Blutwerte vorgehen. Gerade in diesem Teil hat der inszenierte Auftritt von Pechstein und zweier Experten am Donnerstag in Berlin für Beobachter Fragen offen gelassen.

So kritisierte der Nürnberger Pharmakologe Fritz Sörgel im dpa- Gespräch am Freitag, zu den "wirklich stark erhöhten" Retikulozyten-Werten sei nicht Stellung genommen worden. Ebenso wenig sei gesagt worden, warum die Werte zwei Wochen nach der WM in Hamar wieder normal gewesen seien. Die formaljuristischen Unstimmigkeiten hätten aber auch ihm nicht gefallen, erklärte der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung.

"Durch die Pressekonferenz nichts Wesentliches geändert"

"Für mich hat sich durch die Pressekonferenz nichts Wesentliches geändert", sagte Gerhard Ehninger, der Geschäftsführende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO), der "Süddeutschen Zeitung". "Erst hieß es geheimnisvoll, es seien medizinische Gründe - das hätte man an einem Tag beim Hämatologen klären können. Jetzt sind es plötzlich die Geräte", fügte der Dresdner Internist und Krebsmediziner hinzu.

Im Doping-Labor in Kreischa waren in einer Probe vom 15. April Pechsteins Retikulozyten, eine Vorstufe der roten Blutkörperchen, mit 2,4 Prozent gemessen worden - in Lausanne mit einem anderen Analysegerät nur mit 1,3 Prozent. In Kreischa sei das traditionelle und in Lausanne ein neues Verfahren benutzt worden, erläuterte schon am Donnerstag Detlef Thieme, der Direktor des Instituts für Dopinganalytik und Sportbiochemie in Kreischa. Es seien daher Äpfel mit Birnen verglichen worden.

"Im Kern gebe ich ihm recht, aber die Abweichung war schon mehr als im Normalen", sagte Sörgel. Allerdings sei seit langem bekannt, dass verschiedene Messgeräte unterschiedliche Ergebnisse erbrächten. Auch eine unkorrekte Probentemperatur während des Transports könne zu veränderten Werten führen. Bei richtiger Kühlung und Bedienung des Messgerätes gebe es in seinem Labor exzellente Ergebnisse ohne große Schwankungsbreite. Auch Änderungen von Barcodes, die Pechstein beklagt hatte, seien nicht ungewöhnlich, "weil es organisatorische und logistische Probleme gibt, die man nur so lösen kann".

Auf Widerspruch trafen bei Sörgel auch die Argumente von Pechsteins Experten. Holger Kiesewetter von der Berliner Charité hatte herausgestellt, die Reti-Werte seien aufgrund ihrer Schwankungen absolut ungeeignet, einen Dopingnachweis zu führen. "Das ist einfach falsch. Das gehört für mich fast zu Studentenwissen höheren Semesters", betonte Sörgel. "Was im Knochenmark abläuft, geben die Retikulozyten in exzellenter Weise wider", sagte der Pharmakologe. Der DGHO-Vorsitzende Ehninger fügte hinzu, Pechstein habe immer wieder betont, die übrigen Blutwerte wie Hämatokrit und Hämoglobin seien normal. "Treten dann Schwankungen der Retikulozyten- Werte auf, spricht das aus meiner Sicht für eine Manipulation."

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Robert Semmler/DPA

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