Der Chef der amerikanischen Anti-Doping-Agentur (USADA), Travis Tygart, sieht in Deutschland noch erheblichen Nachholbedarf im Kampf gegen Doping. "Deutschland braucht ein von Sportverbänden unabhängiges und eigenständiges System", sagte er in einem Interview mit dem stern. Denn Verbandsvertreter würden alles tun, um ihren Sport skandalfrei halten. "Es geht zum Beispiel überhaupt nicht, dass der Deutsche Fußball-Bund für die Tests in der Bundesliga mitverantwortlich ist", so Tygart. "Da passt der Fuchs auf die Hennen auf."
Heftige Attacken auf Radsportverband UCI
Tygart hatte mit seinen Ermittlungen im vergangenen Jahr den siebenfachen Tour de France-Sieger Lance Armstrong des Dopings überführt. Tygart zum stern: "Ich habe im Fall Armstrong das gesamte Material gesehen und weiß, dass er noch lange nicht die ganze Wahrheit gesagt hat." Deswegen ermittle die USADA auch weiter.
Heftig attackiert der US-Chefermittler den internationalen Radsportverband Union Cycliste Internationale (UCI). Er verschleppe Ermittlungen, weil sonst jeder sehen würde, wie er am Betrug im Radsport beteiligt gewesen sei, so Tygart. Deswegen habe es bisher auch keinen Neuanfang im Radsport gegeben: "Die alten Löcher sind noch da. Und dem Testprogramm der UCI kann man nicht vertrauen."
Auch Schwimmen und Leichtathletik unter Verdacht
Tygart hält es für durchaus möglich, dass etwa im Schwimmsport oder der Leichtathletik ähnliche Netzwerke wie bei den Radfahrern bestehen. Im Interesse eines sauberen Sports fordert Tygart mehr Geld für alle Antidoping-Agenturen. Derzeit hätten sie lediglich "Peanuts im Geldbeutel". Nur mit besserer Finanzausstattung könnten sie den Kampf gegen eine Milliarden Dollar schwere Pharmaindustrie gewinnen, die ununterbrochen Medikamente auf den Markt bringe, mit denen Sportler betrügen könnten.
Trotzdem ist Tygart optimistisch, langfristig erfolgreich zu sein. "Armstrong zu erwischen war nur ein winziger Schritt. Aber ich glaube, dass sich unsere Arbeit auf die Nachwuchsathleten auswirkt. Für sie ist es nicht mehr logisch zu dopen, weil es alle tun."