VG-Wort Pixel

Homophobie im Sport Amerikas Super-Machos machen sich für Schwule stark

Bekennende Schwule sind im American Football rar. Doch immer mehr Stars erheben sich gegen die Homophobie in der Männerdomäne. Die letzte schwulenfeindliche Bastion der USA wankt.
Von Nora Schmitt-Sausen, Seattle

Bullige Männer in engen Hosen, die jeden Muskel abzeichnen. Helme mit Gittervisier zum Schutz gegen Verletzungen. Gepolsterte Schulterschoner, die breite Kreuze noch breiter erscheinen lassen. Zweifellos: American Football ist noch ein ganzes Stück maskuliner als deutscher Fußball. Es ist kein Sport für Weicheier, nur für ganze Kerle. Und so verwundert es nicht, dass sich auch Amerikas Volkssport Nummer eins schwer tut mit schwulen Profis. Wie in der Bundesliga: In der 92-jährigen Geschichte des amerikanischen Profifootballs hat noch kein aktiver Spieler offen zu seiner Homosexualität gestanden.

Der männliche, schwulenfeindliche Ruf des Sports ist eng mit den Werten der in weiten Teilen prüden amerikanischen Gesellschaft verwoben. Footballer gelten gar als die homophobsten Männer in der US-Kultur. Und wie in Deutschland wird die Homophobie inzwischen mehr und mehr thematisiert. Die Folge: Das Image der National Football League (NFL) wandelt sich, Homosexualität ist nicht mehr total tabu. Vor allem dank mutiger Spieler.

Einige wenige Stars der NFL haben sich nach dem Ende ihrer Karriere geoutet. Es sind bis heute nur vier - im Zeitraum zwischen 1975 und 2012. Für das größte Aufsehen sorgte das Coming Out von Esera Tuaolo vor zehn Jahren. Drei Jahre nach dem Ende seiner Karriere sprach der heute 44-Jährige in einem TV-Interview die Worte aus: "Ich bin schwul". Tuaolo, ein 130-Kilo-Kraftpaket, war einer der Stars der NFL. Er erreichte 1998 mit den Atlanta Falcons den Super Bowl. Für die Sportwelt war sein Coming Out ein Tabubruch. Für ihn war es ein Befreiungsschlag. Es sei wie "ein Kostüm auszuziehen, das ich mein Leben lang getragen habe", sagte er.

Coming Out gleich Karriereende

Vor zehn Jahren gab es wenig Zweifel daran, dass ein Outing zur aktiven Zeit das Ende der Karriere bedeutet hätte. Nicht nur aus Sorge vor den Reaktionen der Fans, sondern auch vor denen der eigenen Mitspieler. Tuaolo ging damals hart mit seinem Sport ins Gericht. "Die NFL ist machohaft und schwulenfeindlich." Jahrelang habe er sich auf die Zunge gebissen und bei Schwulenwitzen mitgelacht. Nach seinem Coming Out ging der Ex-Profi den genau umgekehrten Weg der absoluten Offenheit. In seinem Buch "Alone in the Trenches: My Life as a gay man in the NFL", erschienen 2006, berichtet der Ex-Profi von tiefer Verzweiflung und Depressionen, von Alkoholsucht, gar Selbstmordgedanken.

Das mutige Agieren Tuaolos hat für einen Wandel gesorgt. Die Liga arbeitet heute Seite an Seite mit ihrem ehemaligen Profi, um gegen die Homophobie im Football anzukämpfen. Tuaolo, der Vater von zwei Kindern ist, sprach auf Einladung der Liga vor 200 Mitarbeitern in der NFL-Zentrale über sein Schicksal als schwuler Spieler im Football. Er war schon offizieller Redner beim jährlichen Treffen der Ligafrischlinge. Heute fliegt er quer durch die USA, um vor Studenten und bei Sportevents mit Vorurteilen aufzuräumen.

NFL löst sich vom Stigma

Während sich die NFL jahrelang nur zaghaft zu Homosexuellen in ihren Reihen bekannte und schwulenfeindliche Äußerungen von Spielern tolerierte, gibt es heute klare Statements: In den neuen Statuten der Liga verurteilt der Profifootball Diskriminierung wegen sexueller Orientierung ausdrücklich. Das Team der San Francisco 49ers nahm vor wenigen Wochen als erstes Team der NFL an einer nationalen Kampagne gegen Schwulenfeindlichkeit teil. Die Liga bemüht sich in den Stadien um Aufklärung. In Kooperation mit Schwulen- und Lesbenvereinigungen spielt sie via Leinwand Filme ein, die den Fans klar machen sollen, dass Diskriminierung falsch ist. In Zeiten, in denen sich Amerikas Gesellschaft langsam mehr und mehr öffnet, tauchen Profispieler bei Fundraising-Events für Schwulenrechtsorganisationen auf oder geben Pro-Schwulen-Kampagnen Stimme und Gesicht.

"So etwas hat es noch nie gegeben"

Ausgerechnet zwei NFL-Profis haben gerade die landesweite Debatte über Schwulenrechte befeuert. Brendon Ayanbadejo von den Baltimore Ravens und Chris Kluwe (Minnesota Vikings) hatten sich offen für die Homoehe und Schwulenrechte ausgesprochen – und lieferten sich über ihre Ansichten einen öffentlich ausgetragenen Schlagabtausch mit einem Politiker des Bundesstaates Maryland. Dieser hatte in einem Brief an den Ravens-Clubchef gefordert, er möge seinen Spieler zum Schweigen bringen. Seit dem diskutiert die Liga nicht nur über Schwulenrechte im Allgemeinen, sondern auch über die Homophobie in ihrem eigenen Sport.

Aktivisten der Szene jubilieren ob der prominenten Unterstützung: "Diese Jungs sind Helden", zitiert die "New York Times" den bekannten Verfechter für die Homo-Ehe, Brian Ellner. "So etwas hat es noch nie gegeben." Es habe eine erhebliche Bedeutung, wenn zwei Profi-Spieler dabei helfen, Meinungen zu bilden und den Fans klar zu machen, dass Schwule Menschen wie Du und ich seien. Ellner ist überzeugt: Der Profi-Sport verändere gerade seine Haltung gegenüber Homosexualität. Dies glauben auch Ayanbadejo und Kluwe. Die Kultur in der NFL habe sich vor allem im vergangenen Jahr spürbar gewandelt, sagten sie jüngst.

Toleranz hängt auch von der Region ab

Doch wie schwulenfeindlich es im American Football noch zugeht, hängt oft schlicht davon ab, ob in einer eher liberalen oder konservativeren Ecke Amerikas gespielt wird. Oder wie die Vereinsführung zum Thema steht. Sowohl der Besitzer der New England Patriots als auch der Clubchef der New York Giants sind offen schwul. Beide Vereine gelten als "schwulenfreundlichste" Clubs der Liga.

In der Tat: Ein Coming Out eines aktiven Spielers müsse in der richtigen Stadt, beim richtigen Verein und zur richtigen Zeit kommen, sagte Ayanbadejo. Er glaubt, dass sowohl Teamkameraden, Vereine als auch die Fans bereit seien für einen offen bekennenden schwulen Spieler. "Letztendlich kommt es darauf an, was für einen Job Du machst."

Kluwe ergänzt: "Am Anfang wird es sicher schwer sein. So wie es für den ersten schwarzen Spieler schwer war. Aber wenn wir uns dem entgegenstellen, wenn wir uns Gehör verschaffen, dann machen wir es für denjenigen, der sich entschließt, den nächsten Schritt zu gehen, viel einfacher."

Mehr zum Thema

Newsticker