Zuerst war es Epo, dann Darbepoetin, jetzt ist es Tetrahydrogestrinon (THG) - betrugswillige Athleten sind auf der Suche nach neuen Doping-Mitteln äußerst emsig. Doping-Jäger wie Wilhelm Schänzer vom Kölner Institut für Biochemie müssen sich ständig neuen Herausforderungen stellen.
Ist die Entdeckung von THG der "Durchbruch im Anti-Doping-Kampf", wie es jetzt das Internationale Olympische Komitee (IOC) verkündet hat?
Es ist sicher ein Erfolg für die Doping-Bekämpfung in den USA. Die waren ja bisher nicht gerade ein Vorreiter auf dem Gebiet. Aber was heißt schon Durchbruch?
Hat Sie der Fund überrascht?
Nein. Es ist nicht allzu schwer, eine solche Substanz zu entwickeln. Überraschend ist nur, dass gerade das nur schwach wirk-same Steroidhormon Gestrinon genommen und zum THG verändert wurde.
Auf die Spur des THG sind die Doping-Fahnder nur durch einen Tipp gekommen. Wie besorgen Sie sich Ihre Informationen?
Wir versuchen auch, Hinweise von Insidern zu bekommen. Zudem arbeiten wir mit der Polizei und dem Zoll zusammen. Da schauen wir, was neu auf den Markt kommt. Wir recherchieren auch im Internet.
Wie lange bleibt eine neuartige Substanz wie THG vor Doping-Fahndern verborgen?
Wenn eine Gruppe es in ihrem Kreis hält, kann es Jahre dauern, bis es von uns entdeckt wird. Aber meist sind die Hersteller bemüht, einen größeren Kundenkreis aufzubauen, um Geld zu verdienen. Da sickern Informationen dann leichter durch.
Ist es strafbar, solche Mittel herzustellen und zu verkaufen?
In den USA ist das nicht illegal, dort wird damit reger Handel getrieben. In Europa ist es nicht erlaubt.
Ist denn in Deutschland schon die Herstellung verboten?
Nein, nur der Handel mit solchen Mitteln.
Wie viele Menschen hierzulande nehmen Doping-Mittel?
Es gab vor ein paar Jahren eine Studie, in der man auf etwa 200000 Anwender von Steroidhormonen kam. Selbst Jugendliche nehmen die schon. Es entsteht ja ein neuer Körperkult: Man meint, durch mehr Muskelkraft und entsprechendes Aussehen leistungsfähiger und erfolgreicher zu sein - natürlich ohne viel dafür zu trainieren.
Mit welchen neuen Doping-Substanzen rechnen Sie in Zukunft?
Das Hormon Insulin könnte ein größeres Problem werden. Wir arbeiten seit einem halben Jahr daran, es nachzuweisen. Das ist momentan noch ein Bereich, der nicht optimal kontrolliert werden kann, obwohl Insulin schon jetzt missbraucht wird. Es kann durchaus sein, dass die Szene neue Substanzen anwendet, mit denen unsere Technik im Augenblick noch nicht zurechtkommt.
Was ist mit ganz neuen Formen des Dopings, etwa Gen-Doping?
Es gibt ein Gen, das Muskelwachstum kontrolliert. Da hat man bisher nur in Experimenten gesehen, dass man die Aktivität dieses Gens verändern und somit das Wachstum von Muskeln gezielt steuern kann. Aber die Bereitschaft mancher Sportler, neue Verfahren anzuwenden, ist sehr hoch.