Paralympics-Fan Horst Köhler zeigte sich fasziniert von der stimmungsvollen Eröffnungsfeier und der herzlichen Aufnahme der Behindertensportler in China, die querschnittsgelähmte Luftgewehrschützin Manuela Schmermund gab den Startschuss für die deutsche Medaillenjagd. Die 36 Jahre alte Titelverteidigerin von der SG Mengshausen holte bei der ersten Paralympics-Entscheidung im Schießen aus zehn Metern die Silbermedaille. Danach schwamm Maria Götze in Peking über 200 Meter Lagen zu Silber und Judoka Carmen Brussig (Chemnitz) holte Bronze. "Diese Menschen zeigen in beeindruckender Weise, wie man durch Leistung Freude am Leben zurückgewinnen kann", sagte Bundespräsident Köhler, der selbst eine sehbehinderte Tochter hat. Er nahm sich drei Stunden Zeit für den Besuch im paralympischen Dorf.
"Ich hoffe, dass ich wie vor vier Jahren auch die Initialzündung für unser Team geben kann", sagte Schmermund, die im Kleinkaliber sogar Goldchancen hat. "Es sind alle fit und es fehlt an nichts", sagte der deutsche Chef de Mission, Karl Quade, zum Auftakt. Die 171 Athleten starke Mannschaft fühle sich sehr geehrt, dass Köhler sie so unterstütze. "Wir sind mit einem jungen Team hier und wollen die Tendenz von Athen fortsetzen, wo wir Achter wurden", sagte Quade. China werde sicher alles abräumen und deutlich über 100 Goldmedaillen holen, doch danach gebe es ein Gerangel um die Plätze. "Unsere Stärke ist, dass wir sehr breit aufgestellt sind."
Zwischenfall bei Eröffnungsfeier
Bei der gelungenen Eröffnung 13 Tage nach den Olympischen Spielen kam es allerdings beim Einmarsch der Athleten zu einem Zwischenfall, als eine chinesische Zuschauerin plötzlich in den Innenraum des Stadions auf die südafrikanische Mannschaft zulief und ihr T-Shirt auszog. Ordnungskräfte rissen die junge Frau, die nur noch ihren Büstenhalter und Jeans trug, zu Boden und versuchten, sie mit Tüchern zuzudecken. Außer ihrem grauen T-Shirt hielt die Chinesin ein grün-gelbes Bündel in der Hand. Ob es sich um einen Protest handelte, blieb unklar. Die junge Frau habe sich heftig gewehrt und sei "mit Gewalt herausgetragen" worden, berichtete ein Augenzeuge. Der Sprecher der Pekinger Paralympics-Organisatoren, Wang Hui, sagte später, die Frau habe "psychische Probleme" und sei in Behandlung.
Köhler zeigte sich von kritischen Medien-Stimmen zum Olympia- Spektakel in China unbeeindruckt. "Das zeigt doch die Anteilnahme der Menschen in China, dass das hier nicht alles nur verordnet ist", sagt er zu den Kinder-Malereien, die als Geschenk der Gastgeber in jedem Sportler-Zimmer hängen. "Die Aufnahme ist herzlich, ich glaube nicht, dass man so viele Chinesen bestechen kann", sagte Aktivensprecher und Tischtennisspieler Rainer Schmidt. Das deutsche Team hatte beim Einmarsch ins "Vogelnest" ein Spruchband mit chinesischer Schrift hochgehalten. Das einfache "Hallo Peking" löste bei den 91.000 Zuschauern einen Jubelsturm aus.
Athletin zu Tränen gerührt
Zu Tränen gerührt zeigte sich Carmen Brussig, die von ihrer ebenfalls sehbehinderten Zwillingsschwester Ramona am Mattenrand unterstützt wurde. "Nun ist der Druck weg, eine Medaille bei Paralympics zu gewinnen. Auch wenn es eigentlich Gold sein sollte", sagte die 31 Jahre alte Judoka, der am Montag noch eine größere Nervenprobe bevorsteht: Da wird sie bei Ramona mitzittern. "Der Tag, an dem meine Schwester kämpft, wird für mich noch härter als mein eigener Wettkampftag", sagte die zweimalige Weltmeisterin.