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RADSPORT Jan Ullrich: »Verkaufte« Etappensiege?

Erst Doping-Anschuldigungen, nun Vorwürfe angeblicher Bestechung: Jan Ullrich muss vor Beginn der Tour de France um seinen guten Ruf kämpfen.

Erst pauschale Doping-Anschuldigungen, nun Vorwürfe angeblicher Bestechung: Jan Ullrich muss drei Wochen vor Beginn der Tour de France nicht nur um seine Form, sondern auch um seinen guten Ruf kämpfen. Der frühere Sportmanager des Festina-Teams, Bruno Roussel, behauptet in seinem gerade erschienenen Buch »Tour der Laster«, Ullrich habe bei der Tour de France 1997 den Etappensieg in Courchevel an Richard Virenque »verkauft«. Besonders pikant ist dabei die Tatsache, dass Roussel damit eine allgemein gängige Praxis im professionellen Radsport beschreibt. Bergspezialist Virenque habe für seinen Etappensieg 1997 100 000 Francs (29 800 Mark/15 200 Euro) an den späteren Tour-Sieger gezahlt.

Roussel war nach dem Doping-Skandal um das Festina-Team bei der Tour 1998 entlassen worden. In dem anschließenden Doping-Prozess in Lille verurteilte ihn das Gericht zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von 50 000 Francs.

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Unruhige Wochen für Jan Ullrich

stern.de: Dopingvorwürfe: Jan Ullrich ist sauer

stern.de: »So viele Fahrer können nicht Asthmatiker sein«

stern.de: Ermittlungen: Jan Ullrich als Dopingsünder?

stern.de: Doping: Ermittlungen gegen Team Telekom?

stern.de: »Hemassist würde Jan nie nehmen - er lebt zu gerne«

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Aufregung beim Team Telekom

»Wenn man auf jede Äußerung von Kriminellen antwortet, steigert man nur die Aufmerksamkeit. Es ist unglaublich, dass jeder Kriminelle etwas behaupten kann, ohne dass ihm Beweise abgenötigt werden«, erregte sich am Mittwoch Telekom-Kommunikations-Direktor Jürgen Kindervater. Seltsam nur, dass weder Kindervater noch Jan Ullrich juristisch gegen Roussel vorgehen will.

»Ich werde bezahlen«

Ullrich und Virenque waren 1997 die letzten 13 Kilometer auf dem Anstieg nach Courchevel gemeinsam gefahren. Bei der Unterhaltung habe es keines Dolmetschers bedurft. »Du lässt mich gewinnen, okay«, habe Virenque gefragt. Ullrich habe den Daumen sowie zwei Finger zum Zeichen von Geld aneinander gerieben. Gegenüber Roussel habe der Bergspezialist erklärt: »Kein Problem. Ich werde bezahlen«.

Als Ullrich 1997 auf einer späteren Tour-Etappe in den Vogesen der Verlust des Gelben Trikots drohte, habe Virenque versucht den Spanier Abraham Olano und den Italiener Marco Pantani zu »kaufen«, um Jan Ullrich noch einzuholen. Dieses Vorhaben sei allerdings daran gescheitert, dass Virenque zu wenig geboten habe, schrieb Roussel.

100 000 Francs pro Kapitän

Jeweils 10 000 Francs habe Virenque den beiden Spitzenfahrern offeriert, um in einer Spitzengruppe ohne Ullrich mehr Tempo zu machen. »Man schlägt Pantani nicht 10 000 vor. Du wirst niemand mehr finden, der Dir die Hand gibt«, will Roussel geantwortet haben. Jeweils 50 000 Francs pro Fahrer und 100 000 Francs pro Kapitän wären nach seinen Angaben für ein solches Vorhaben fällig gewesen, insgesamt eine halbe Million Francs hätte sein Team ausgeben müssen, um eine gemeinsame Aktion gegen Ullrich zu starten, rechnete Roussel vor.

In seinem Buch erwähnt er noch einen weiteren Fall angeblicher Bestechung. Bereits auf der Tour 1996 habe der später siegreiche Däne Bjarne Riis mit dem Schweizer Laurent Dufaux dessen Etappensieg im spanischen Pamplona abgesprochen, behauptete Roussel. Dies habe ihm Dufaux später erzählt. Gegen die Zahlung von 30 000 Francs hätte ihm der führende Riis den Sieg überlassen.

Bargeldlose Zahlungen

Bargeldlose Absprachen gibt selbst Jürgen Kindervater zu: »So etwas gab es doch im vorigen Jahr zwischen Armstrong und Pantani, 1998 zwischen Ullrich und Pantani - das ist doch nichts Neues im Radsport«. Vor allem der fünfmalige Tour-Gewinner Miguel Indurain war für seine Großzügigkeit bekannt. Für besonders gut Führungsarbeit oder Wasserträgerdienste ließ er schon mal einen Etappensieg springen.

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