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Australian-Open-Sieger Rafael Nadal: vollkommen überwältig, nicht nur von seinem 21. Grand-Slam-Erfolg

Rafael Nadal
Rafael Nadal und seine 21. Grand-Slam-Trophäe
© Fiona Hamilton/Tennis Australia / AFP
Es war ein Finale, das alle hatte und nie hätte zu Ende gehen sollen. Nach fünfeinhalb Stunden aber war Schluss und Rafael Nadal ein unfassbares Comeback gefeiert. Überwältig war er aber nicht nur von seinem 21. Grand-Slam-Erfolg.
Von Klaus Bellstedt

Es wurde schließlich sehr spät. Oder auch früh. Je nach Perspektive. Als Rafael Nadal um 2.30 Uhr Melbourne Ortszeit nach diesem epischen Finale der Australian Open in der Nacht von Sonntag auf Montag das Podium im Pressekonferenz-Raum betrat, wurde es fast ein bisschen andächtig. Turnierdirektor Craig Tiley sprach einen kurzen Toast auf den Champion aus und erhob sein Glas. Die anwesenden Journalistinnen und Journalisten prosteten zurück und alle stießen auf Nadal an. Bei den Grand-Slam-Turnieren ist das nach den Final-Spielen guter Brauch, gemeinsam auf die Sieger zu trinken. Dieses Mal war es auch deshalb so speziell, weil vor dem Turnier nur die Wenigsten damit gerechnet hatte, dass der mittlerweile 35-Jährige der Sieger des ersten Major-Events des Jahres heißen würde und, viel wichtiger noch, weil keiner weiß, ob sich dieses Bild überhaupt noch einmal wiederholen würde: ein überglücklicher Nadal mit dem Siegerpokal eines Grand-Slam-Turniers in seinen Händen.

"Viel wichtiger, wieder solche Nächte erleben zu dürfen"

Da saß er also, schwitzte immer noch, als wäre der Matchball eben erst gespielt worden und schien sein Glück nicht fassen zu können. In einem wahren Tennis-Drama hatte Nadal in knapp fünfeinhalb Stunden Spielzeit Daniil Medwedew, den Weltranglistenzweiten, in fünf Sätzen mit 2:6, 6:7, 6:4, 6:4 und 7:5 bezwingen können und hatte damit etwas Historisches geschafft: Der Sieg bei den Australian Open war gleichbedeutend mit seinem 21. Grand-Slam-Erfolg. In dieser elitären Wertung der Besten schob sich Nadal vorbei an seinen beiden ewigen Widersachern Roger Federer und Novak Djokovic, die beide jeweils 20 Mal eines der vier großen Turniere gewinnen konnten. Aber Nadal war dieser Rekord hinterher nicht wichtig: "Ehrlich gesagt, ist die Nummer 21 gar nicht entscheidend. Nach all dem, was war, ist für mich ist viel wichtiger, wieder solche Nächte erleben zu dürfen."

Schon bei der Siegerrede in der Rod-Laver-Arena deutete der Mallorquiner an, wie groß Unsicherheit und Leidenszeit bei ihm waren. "Die ganze Wahrheit ist, dass ich vor anderthalb Monaten nicht wusste, ob ich überhaupt in der Lage wäre, noch einmal zurückzukommen", sagte Nadal.  Als er sprach, hatte er Tränen in den Augen. "Keiner kann sich vorstellen, wie hart ich dafür gekämpft habe." Monatelang hatte der in der Weltrangliste vor dem Turnier auf Platz 5 zurückgefallene Nadal wegen einer komplizierten Fußverletzung, die sich medizinisch lediglich lindern, aber nicht beheben lässt, pausieren müssen. Bei den French Open Anfang Juni, als er im Halbfinale dem späteren Sieger Novak Djoković unterlag, brach die Verletzung, die ihn seit 2005 plagt, wieder auf. Nadal spielte 2021 überhaupt nur sechs Turniere. Die ersten Würdigungen für sein sportliches Lebenswerk wurden schon verfasst. Eine Corona-Infektion störte die Vorbereitung auf die neue Saison zusätzlich empfindlich. Sein Start bei den Australian Open war lange höchst fraglich gewesen. Nun folgte diese Renaissance, die ja eine im doppelten Sinne war. Im wichtigsten Match seiner Karriere hatte er das wichtigste Comeback seiner Karriere gefeiert. Genauso sagte er es hinterher. Und dann war da noch der völlig unerwartete und triumphale Re-Start seiner sportlichen Laufbahn. "Das hier heute war wahrscheinlich das Beste, was mir jemals passiert ist." Nadal war auch eine Stunde nach Match-Ende überwältigt.

Das Spiel sollte niemals aufhören

Das Spiel, was er gegen den aufstrebenden und schwer zu spielenden Medwedew, gewinnen konnte, war ein Tennis-Match für die Geschichtsbücher. Es gab unzählige Wendungen, irrsinnige Ballwechsel, Verletzungspausen, es wurde das Publikum beschimpft, es wurde sich mit dem Schiedsrichter angelegt, Nadal verbrauchte in der schwülen Hitze dieses Marathons zehn T-Shirts, ja sogar ein politischer Aktivist sprang kurzzeitig von der Tribüne runter auf dem Platz. Man hoffte sehr, dass das alles niemals aufhören würde. Als Entfesselungskünstler Nadal, der lange wie der Verlierer aussah und schon mit 0:2-Sätzen zurücklag, schließlich seinen Matchball verwandelte, sah er wie ein ungläubiges kleines Kind aus. Er brauchte ein paar Momente, um zu realisieren, was gerade passiert war. Dann brach er, kniend auf dem blauen Boden des Hartplatzes, in Tränen aus.

Es sei eine Mischung aus drei Dingen, die ihn an den Punkt geführt hätten, die Australian Open wirklich noch einmal zu gewinnen, sagte Nadal im Anschluss noch: die Liebe zum Spiel, seine bedingungslose Leidenschaft und überhaupt eine – trotz mancher Zweifel – positive Grundeinstellung. Danach verließ er erschöpft und selig das Podium. Mit dem Siegerpokal unter seinem Arm.

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