Ralf Beckmann glaubt an seine Athleten. "Wir werden nicht ohne Medaillen abreisen", sagt der Cheftrainer des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) über die Erwartungen an die Schwimm-WM im kanadischen Montreal, die noch bis zum 31. Juli andauert. Auch ohne die zurückgetretene Weltrekordlerin Franziska van Almsick und die pausierende Hannah Stockbauer wollen sich Deutschlands Spitzenschwimmer ein Jahr nach den olympischen Reinfällen von Athen bei den Weltmeisterschaften in Montreal "unter den ersten Fünf der Welt behaupten". Hoffnungsträger sind drei Sprinter: Weltrekordlerin Janine Pietsch, "Oldie" Mark Warnecke und Rekordjäger Thomas Rupprath.
Das erste Gold für den DSV gab es bereits: Thomas Lurz holte im Langstreckenschwimmen über fünf Kilometer den Sieg. Im "Spurt" über die letzten 1500 Meter war Lurz der Konkurrenz auf der alten olympischen Ruderstrecke davon geschwommen. Seinen nächsten Coup hat er über zehn Kilometer geplant: "Ich will versuchen, meinen Titel zu verteidigen." sagte der Sozialwissenschaftsstudent. Als Titelverteidigerin gehört auch die Rostockerin Britta Kamrau bei den Frauen zu den Favoriten
"Hier funktioniert gar nichts"
"Angefressen" sind einige der anderen deutschen Schwimmer in der WM-Stadt Montreal angereist. Das vorzeitig abgebrochene Trainingslager in Ottawa ist so manchem Wassersportler schwer auf den Magen geschlagen. "Hier funktioniert gar nichts", sagte der Chemnitzer Steve Theloke. Trainingshalle, Hotel und Verpflegung stießen zudem auf breite Ablehnung. "Vor einem Freibad-Wettkampf in einer Art Atombunker zu schwimmen, geht gar nicht", sagte Rücken-Europameister Theloke. Das 29-köpfige Team reiste per Bus nach Montreal, wo am Sonntag die Becken-Wettkämpfe unter freiem Himmel beginnen.
Vor allem die Schwimmhalle von Ottawa stieß wegen hoher Luftfeuchtigkeit und extremer Schwüle auf die Kritik der Athleten. Weltmeister Thomas Rupprath beklagte die hohe Chlorkonzentration im Wasser. Die fensterlose Bauweise der Halle ermöglichte weder Lichteinfall noch die Zufuhr von Außenluft.
Wasserspringer und Wasserballer mit Erfolgen
Dagegen ließen sich die Wasserspringer Andreas Wels und Tobias Schellenberg auch von Regen und Gewitter nicht beirren und sprangen nach Silber im Synchron-Wettbewerb auch allein vom Drei-Meter-Brett souverän ins Finale. Nach dem unterbrochenen und 4:15 Stunden dauernden Vorkampf behauptete sich der 30 Jahre alte Europameister Wels mit 669,69 Punkten im direkt folgenden Halbfinale als Vierter, der vier Jahre jüngere Schellenberg belegte mit 634,5 Punkten Rang elf.
Auch Deutschlands Wasserballerinnen wittern den Erfolg. Nach der 2:15-Pleite gegen Australien feierte das Team von Bundestrainer Bernd Seidensticker bei der Weltmeisterschaft in Montreal einen überraschenden 7:6 -Erfolg über die Niederlande und hat damit gute Chancen auf das Erreichen der nächsten Runde. "Wir wissen, was wir können. Es galt, da zu sein, wenn es darauf ankommt", sagte Seidensticker. Er weiß aber auch: "Der Sieg ist nichts wert, wenn wir gegen Brasilien verlieren." Im letzten Vorrundenspiel gegen die Südamerikanerinnen geht es um Alles oder Nichts.
Schwerstarbeit für Trainerstab
Schwerstarbeit steht im Schwimmen derweil dem Trainerstab um Chefcoach Beckmann bevor, um die Athleten in den verbleibenden Tagen positiv auf die Wettkämpfe einzustimmen. Theloke lobte trotz aller Kritik: "Ralf Beckmann und seine Kollegen versuchen, noch das Beste aus der Situation zu machen." Doch Medaillenanwärter Mark Warnecke stimmt in das Konzert der Klagen ein: "Ein solch schlechtes Hotel habe ich in meiner gesamten Karriere nicht erlebt." Das Essen nannte der 35 Jahre alte Mediziner "eine Katastrophe": Fast-Food-Verpflegung, nachdem Warnecke sechzehn Kilogramm abgespeckt hatte.
Beckmann sagte, er könne die Kritik der Schwimmer nur teilweise nachvollziehen. Das Verpflegungsproblem sei nach dem ersten Tag sofort gelöst worden. Insgesamt sei für ihn die Vorbereitung ungestört verlaufen. Aber er könne "verstehen, dass im Vorfeld der Wettkämpfe die Nerven ein wenig mehr angespannt sind und die Aktiven Kleinigkeiten stärker wahrnehmen".