Im Football ist der Quarterback der Star. Das wird auch beim 50. Superbowl am Wochenende so sein. Schon seit Tagen sind die Zeitungen voll mit Geschichten über Cam Newton von den Carolina Panthers und Peyton Manning von den Denver Broncos. Als Newton Anfang der Woche eine 800 Dollar teure Designerhose mit Zebramuster von Versace trug, machte er sogar damit Schlagzeilen. Und die scheußliche Hose war wenige Stunden später weltweit ausverkauft.
Die restlichen 52 Spieler eines Teams sind Beiwerk. Nur wenige sind wirklich berühmt, viele haben Verträge auf Wochenbasis und sind jederzeit austauschbar. Eine der un-dankbarsten Positionen ist es, den Quarterback vor den Angreifern der gegnerischen Mannschaft zu schützen. Ein Knochenjob. Schieben, drücken, rammen, so lange bis Newton und Co. hoffentlich den perfekten Wurf gelandet haben. Das ist die Aufgabe von Michael Oher. Der riesige Mann mit dem gewaltigen Bauch und den dicken Beinen ist "Offensive Tackle" der Carolina Panthers.

Eigentlich schreibt über einen wie Michael Oher keiner
Über so einen wie Michael Oher schreibt eigentlich kaum ein Jour-nalist. Warum es bei dem 29-Jährigen anders ist? Und warum er gerade sogar Cam Newton kurz vor dem großen Finale in San Francisco die Schlagzeilen streitig macht?
Wie Michael Oher von einem obdachlosen Jungen, der nur selten die Schule sich zu einem Spieler der NFL wandelte, wurde 2009 verfilmt. "Blind Side - Die große Chance" war ein Blockbuster. Der Streifen über den Jungen aus Memphis, der mit elf Geschwistern und einer cracksüchtigen Mutter aufwuchs, spielte weltweit mehr als 300 Millionen Dollar ein. Als Sandra Bullock am Ende mit ihrer Rolle als reiche weiße Stiefmutter den Oscar und einen Golden Globe gewann, war die Erfolgsgeschichte perfekt.
Nur: Michael Oher hasst den Film. "Ich bin es leid. Ich will einfach nur Football spielen", blaffte er schon vor drei Jahren in einer Pressekonferenz. Damals war er Spieler der Baltimore Ravens und gewann eine Woche später mit dem Team seinen ersten Superbowl. Geändert hat sich an seiner Meinung seitdem nichts.
Vor allem stört ihn offensichtlich, dass er als sehr schlichter Teenager mit niedrigem Intelligenzquotient dargestellt wird, der nur auf Druck seiner Mutter überhaupt Football spielt. So klagte Michael Oher kürzlich dem Sportsender ESPN: "Die Leute sehen mich heute und denken wegen des Filmes schlecht von mir. Sie erkennen meine Fähigkeiten nicht und trauen mir nichts zu. Ich kann mich auf dem Feld noch so sehr anstrengen, sie halten nichts von mir." Außerdem gebe der Film seinen Adoptiveltern viel zu viel Anteil an seinem Erfolg als Footballer. Schließlich sei er nur aufgrund seiner eigenen Leistungen in der NFL erfolgreich, so Oher.
Der Groll auf den Film ist das eine, aber den 29-Jährigen verbindet noch heute eine tiefe Zuneigung zu Leigh Anne und Sean Tuohy, die ihn bei sich zu Hause aufnahmen und ihm halfen, seine schulischen Lücken auszugleichen. Gleich nach dem Sieg über die Arizona Cardinals vor knapp zwei Wochen, der den Einzug ins Finale sicherte, posierte Oher am Spielfeldrand Arm in Arm mit seinen Adoptiveltern. Seine Mutter postete später das Bild auf Twitter und nannte Oher liebevoll "Baby".
Anders als Michael liebt sie den Film übrigens. Das mag daran liegen, dass sie als erfolgreiche und anpackende Frau dargestellt wird. Leight Anne Tuohy sagt dazu: "Mir gefällt der Film wegen seiner Message, er gibt den Leuten Hoffnung." Dass Michael Oher dabei schlecht wegkommt, möchte sie nicht diskutieren. "Mein Sohn steht im Superbowl, das zählt."
Dass Oher am Sonntag im Finale spielt, wäre Stoff für einen weiteren Film. Nach seinem ersten Erfolg im Superbowl 2013 kam die Karriere des jungen Mannes in Stocken. Nach seinem Wechsel zu den Tennessee Titans waren seine Leistungen so schlecht, dass das Team ihn Anfang 2015 entließ. Dabei spielte er wochenlang mit einen gerissenen Bizeps und einem verletzten großen Zeh. Aber in solchen Fällen ist die NFL gnadenlos, wer nicht mithalten kann, egal warum, fliegt. Eigentlich hatte sich Oher schon mit dem Ende seiner Karriere abgefunden.
Superbowl: Oher verdankt Cam Newton sein Comeback
Sein grandioses Comeback verdankt er Cam Newton. Denn es war der Quarterback persönlich, der Michael Oher letzten Sommer eine SMS schickt. "Ich brauche dich" schrieb er darin. Er hatte Videos von Oher gesehen und glaubte, er sei der richtige Spieler für sein Team. Oher zögerte nicht eine Minute und beschützt seitdem die "blind side", - die blinde Seite - Newtowns. In der nun zu Ende gehenden Saison erlaubte der Spieler mit der Nummer 73 nur vier Mal, dass gegnerische Spieler seinen Quarterback erreichten und niederriss. Das ist die beste Leistung seiner Karriere und eine der besten der gesamten Liga. Und sicher einer der Gründe, warum Cam Newton heute den Spitznamen "Superman" trägt.