Tennis Fünf Fragen vor den Australian Open

Wenig überraschend ist Novak Djokovic der Topfavorit für die Australian Open. Fürchten muss er mit Andy Murray aber einen Spieler, dem bisher die mentale Stärke für einen großen Titel fehlte. Das soll nun anders werden – mit dem großen Ivan Lendl als Coach. Wir haben die wichtigen News vor dem ersten Grand Slam des Jahres.

Die Australian Open stehen unter keinem guten Stern. Fast täglich trudelten beim Veranstalter in Melbourne Absagen wichtiger Spieler oder Spielerinnen ein. Zudem klagen viele bereits zu diesem frühen Zeitpunkt über Wehwehchen. Oder eher wegen des frühen Zeitpunkts? Der volle Terminkalender und die zu kurze Pause war bereits in der vergangenen Saison ein Dauerthema und dürfte uns auch in diesem Jahr begleiten.

Eine Umstellung des Zeitplans würde wohl vor allem die Australian Open betreffen, viele Spieler würden das erste Grand Slam-Turnier des Jahres gerne auf einen späteren Zeitpunkt verlegen. Doch nun startet die Tennis-Saison wie gewohnt bereits Mitte Januar in Melbourne – mit vielen offenen Fragen im Gepäck. Wir blicken vorab auf die großen Duelle im Herren-Tennis, wagen einen Blick in die Talentschmiede und analysieren die Lage im aufstrebenden deutschen Damen-Lager.

1) Wie sind die Großen Drei in Form?

Ginge es nach den Ergebnissen oder den Einsätzen in den ersten Wochen der Saison, würden Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer nicht zwingend zu den Favoriten in Melbourne gehören. Doch der Weg zum ersten großen Titel im Jahr führt sicher wieder über die Großen Drei.

Novak Djokovic verzichtete auf Turniereinsätze in den ersten beiden Wochen, reiste stattdessen schon zehn Tage vor Beginn der Australian Open nach Melbourne – auch, um den neuen Centre Court einzuweihen. Zwei Spiele absolvierte Djokovic vorher aber trotzdem, beim Einladungsturnier in Abu Dhabi war er schon bemerkenswert fit und siegte spielerisch leicht gegen Federer und im Finale gegen David Ferrer. Die Verletzungssorgen zum Ende der vergangenen Saison sind ausgestanden, der Djoker wirkt in den Tagen in Melbourne locker, gut gelaunt und unglaublich selbstbewusst – der Titelverteidiger ist der absolute Topfavorit.

Bei Rafael Nadal fällt ein solches Urteil wesentlich schwerer – auch wenn man den Spanier niemals abschreiben sollte. In Abu Dhabi verlor er gegen Ferrer und beim Turnier in Doha war gegen Gael Monfils bereits im Halbfinale Schluss. Noch mehr Sorgen bereiten dem Nadal-Lager aber die anhaltenden Schulterschmerzen der ehemaligen Nummer eins der Welt. Seine Fitness sei nicht "bei 100 Prozent", deshalb wird Nadal nach den Australian Open eine längere Pause einlegen. Keine gute Voraussetzung, um die Jagd auf Djokovic zu eröffnen – zumal der letzte Turniersieg bereits sieben Monate zurückliegt.

Und auch Roger Federer plagt sich zu Beginn der Saison schon mit gesundheitlichen Problemen herum. Beim Turnier in Doha sagte er sein Halbfinale gegen Jo-Wilfried Tsonga wegen Rückenbeschwerden ab. In den letzten Tagen gab sich Federer aber zuversichtlich, die Blockade behindert ihn wohl nicht mehr. In Doha zeigte er bereits wieder gute Ansätze, das Selbstvertrauen ist nach den drei Turniersiegen in Serie zum Ende des Jahres 2011 ohnehin zurück. Spielt der Rücken mit und funktioniert sein Aufschlag wie zuletzt, kann Federer in Melbourne zum fünften Mal gewinnen.

2) Schafft Andy Murray den ersten Grand Slam-Sieg?

Vergessen haben wir Andy Murray natürlich nicht, er ist der vierte Spieler, der stets in den Favoritenkreis für Grand Slam-Turniere gehoben wird. Fakt ist aber auch, gewinnen konnte der Schotte noch kein großes Turnier, bei drei Finalteilnahmen blieb er jeweils ohne Satzgewinn.

Nun könnte Murray aber der Clou gelungen sein, der ihm die nötige mentale Stärke vermittelt – denn genau da liegt seine Schwäche. Murray hat Ivan Lendl als neuen Coach verpflichtet, obwohl der gebürtige Tscheche bisher nicht als Coach auf der ATP-Tour aufgetreten ist. Aber Murray erhofft sich von Lendl die nötigen Tipps, um in den entscheidenden Phasen das Richtige zu tun.

"Er weiß, wie man sich fühlt, wenn man in einem Grand Slam Finale steht. Er kann all das nachvollziehen", erzählte Murray vor wenigen Tagen dem BBC Radio. Was aber noch viel wichtiger sein dürfte: Lendl weiß auch, wie es ist, die ersten Grand Slam-Endspiele – in Lendls Fall waren es sogar vier – zu verlieren und als nicht nervenstark genug abgestempelt zu werden. Lendl zog seine Lehren und gewann noch acht große Finals. Kann er dieses Wissen vermitteln, dann platzt bei Murray noch in diesem Jahr der Knoten. Womöglich schon in Australien, wo er bereits zwei Mal im Endspiel stand.

3) Welcher Youngster schafft den Sprung nach oben

Talent allein reicht im Tennis nicht aus, um den langen Weg in die Weltspitze zu beschreiten. Es gibt viele wichtige Faktoren, daher sind auch Prognosen nur schwer zu erstellen. Für Milos Raonic, Newcomer des Jahres 2011, und Bernard Tomic, der schon als 16-Jähriger auf der ATP-Tour unterwegs war, könnte 2012 ein entscheidendes Jahr werden. Beide sind im vergangenen Jahr in der Weltrangliste ordentlich geklettert, werden nun sowohl medial als auch von den Gegnern anders wahrgenommen. Für den knallharten Aufschläger Raonic und den geschmeidigen Taktiker Tomic sind die Top Ten realistische Ziele.

Es gibt aber einige weitere Namen, die man für 2012 auf dem Zettel haben muss – stellvertretend nennen wir Ihnen drei: Ryan Harrison (USA) ist ähnlich früh wie Tomic auf der ATP-Tour eingestiegen und scheint nun mit 19 Jahren auch körperlich bereit für größere Aufgaben. Grigor Dimitrov aus Bulgarien war ein überragender Junior und könnte nun genügend Erfahrung für den Durchbruch gesammelt haben. Und Benjamin Mitchell gilt als größtes australisches Talent und erhielt in Melbourne eine begehrte Wild Card.

Auf deutscher Seite ist dagegen nicht viel zu erwarten. Die strukturellen Probleme im deutschen Herren-Tennis sind noch immer vorhanden und so wird es wohl auch in den kommenden Jahren keinen Spieler geben, der in die absolute Weltspitze vorstoßen kann. Bei Cedrik-Marcel Stebe – in der Weltrangliste derzeit auf Rang 83 geführt – wird es zwar weiter nach oben gehen, für die Top 20 reicht es bei Stebe aber eher nicht.

4) Wer kann für Andrea Petkovic in die Bresche springen?

Andrea Petkovic musste die Australian Open verletzt absagen. So etwas kommt vor. Trotzdem sollte die deutsche Nummer eins die richtigen Lehren ziehen. Die Stressfaktur im Rücken ist die Konsequenz aus der harten Vorbereitung und dem Ignorieren von Warnsignalen. Petkovic quälte sich seit Wochen mit Rückenproblemen herum, falscher Ehrgeiz verbot ihr eine Trainingspause. Will sie sich dauerhaft in der Weltspitze etablieren, gehört auch der richtige Umgang mit ihrem Körper dazu.

Im letzten Jahr stand Petkovic drei Mal im Viertelfinale der Grand Slam-Turniere, war somit die konstanteste deutsche Spielerin. Doch das Fräulein-Wunder hat ja wesentlich mehr Namen hervorgebracht. Sabine Lisicki, Julia Görges und Angelique Kerber sind ebenfalls auf dem Sprung nach oben, mit Mona Barthel kommt nach dem Turniersieg in Hobart möglicherweise sogar eine fünfte Spielerin hinzu. Bei Görges stimmten Leistungen und Selbstvertrauen zuletzt nicht, Kerber wiederum ist zwar gesetzt, kann aber schon in der dritten Runde auf Maria Sharapova treffen.

Somit dürfte Lisicki die größten Erfolgsaussichten haben, allerdings musste die Wimbledon-Halbfinalistin zuletzt auch angeschlagen pausieren. Fed Cup-Chefin Barbara Rittner wird ihre Damen daher früher als erhofft um sich scharen können.

5) Kann Caroline Wozniacki ihren Makel ablegen?

Nach der Niederlage gegen Agnieszka Radwanska in Sydney reihte sich Caroline Wozniacki in die lange Liste der angeschlagenen oder verletzten Spieler ein, mittlerweile konnte die Weltranglistenerste Entwarnung geben – sie wird in Melbourne antreten können.

Ob sie das Turnier aber als weltbeste Spielerin verlassen wird, ist nicht sicher. Petra Kvitova, der Shootingstar der vergangenen Saison, drängt von hinten und hätte Wozniacki bereits mit einem Turniersieg in Sydney verdrängen können. Die Form der letzten Wochen spricht in jedem Fall nicht dafür, dass Wozniacki in Australien ihren ersten großen Titel holt. Der Makel wird also bleiben.

Marcus Krämer

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