Riesen-Überraschung im Fall Claudia Pechstein: Die für zwei Jahre gesperrte Eisschnelllauf-Olympiasiegerin darf am Freitag beim Weltcup in Salt Lake City über 3000 Meter starten. Nachdem die Berlinerin wegen auffälliger Blutwerte gesperrt worden war, gab das Schweizer Bundesgericht am Dienstag nach nur 24 Stunden einem Eilantrag statt, den Pechsteins Anwälte erst am Montagmorgen gestellt hatten.
Claudia Pechstein erfuhr die Nachricht am Dienstagvormittag während des Trainings auf der Eisbahn in Berlin-Hohenschönhausen. "Es ist für mich natürlich super zu wissen, dass sich das Training der vergangenen Wochen gelohnt hat und ich jetzt die Möglichkeit bekomme, mich für Olympia zu qualifizieren", erklärte die 37-Jährige in einer ersten Reaktion völlig aufgeregt. Am Mittwoch wird sie den Flug nach Übersee antreten.
Ihr Anwalt Simon Bergmann warnte jedoch umgehend vor zu großer Euphorie und Rückschlüssen auf das Urteil im anstehenden Hauptsache- verfahren. "Es galt für uns, Claudias letzte Chance zum Olympia-Start zu wahren. Das gerichtliche Urteil eines staatlichen Gerichts ist auch für den Weltverband ISU bindend. Aber das ist nur ein kleiner Etappen-Schritt", sagte der Jurist. "Ob sie wirklich an den Olympischen Spielen teilnehmen kann und ihre Sperre aufgehoben wird, wird erst im Hauptsache-Verfahren geklärt", fügte er hinzu.
Pechstein, die aufgrund ihrer guten Vorjahres-Ergebnisse im Weltcup hervorragend platziert war, erhält auf der schnellen Olympia- Bahn von 2002 am Freitag eine Wildcard für die 3000 Meter. Dort muss die 37-Jährige beweisen, wie sie den Stress der vergangenen Wochen verkraftet hat. "Es gibt nur ganz wenige, die so etwas durchstehen können, was Claudia in den zurückliegenden Monaten ertragen musste. Ich glaube an sie", erklärte ihr langjähriger Trainer Joachim Franke. "Es ist eine riesige psychische Belastung für sie. Aber ich hoffe, sie kann auf Platz acht laufen und sich damit sportlich das Ticket sichern", sagte ihr Manager Ralf Grengel. Der Deutsche Olympische Sportbund DOSB hatte einmal Platz acht oder zweimal Platz 16 als Messlatte für den Olympia-Start festgelegt.
Mit dem Einspruch im Hauptsacheverfahren hat die Bestätigung des Eilantrags aber nur bedingt zu tun. "Wenn sie im Hauptsacheverfahren chancenlos wäre, hätte das Schweizer Bundesgericht den Antrag sofort abgelehnt", sagte Grengel. Bergmann wies auf die Kompliziertheit in der Hauptverhandlung hin. "Vor dem Schweizer Bundesgericht werden nur ganz schwere Verfahrensfehler oder die Verletzung der Menschenrechte überprüft", bestätigte er.
Daher haben die Pechstein-Anwälte schon über 70 Seiten bei der Erstellung des Eil-Antrages formuliert, um auf die Komplexität des Falles im Hauptverfahren hinzuweisen. Dabei sind auch die möglichen Verfahrensfehler des CAS formuliert, die in der folgenden Verhandlung Gegenstand sein werden. Eingereicht wird der offizielle Einspruch gegen das CAS-Urteil erst im neuen Jahr. Zwar hat jede Seite nach dem Richterspruch vom 25. November nur 30 Tage Zeit zur Formulierung eines Widerspruchs, doch wegen der Weihnachts-Feiertage bleibt der Pechstein-Seite ein wenig mehr Zeit.
Unter anderem wird in dem Berufungs-Schreiben eine Rolle spielen, dass die CAS-Richter einige Gutachten gar nicht berücksichtigten, die Pechstein entlastet hätten. Von Bedeutung könnte auch sein, dass der Ulmer Experte und Hämatologe Hubert Schrezenmeier der Darstellung des CAS in seiner Urteilsbegründung, die sich auf sein Gutachten als wichtige Grundlage stützt, heftig widersprochen hat.